Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Belgische Industrie und russische Vorsehung

Mariupol – die Stadt Marias –, das Asow-Stahlwerk: Die südukrainische Hafenstadt und ihre Schwerindustrie haben ­traurige Berühmtheit erlangt. Der russische Potentat Putin, pervers und perfid unterstützt vom Patriarchen, verfährt mit Mariupol nicht weniger barbarisch als weiland Hitler mit x Städten in der Sowjetunion. Doch die Vorsehung will es wohl, dass Putin heute Mariupol und morgen die ganze ­Ukraine ins russische Reich heimholt, dass er die fahnen­flüchtigen ukrainischen Brüder und Schwestern auf den Pfad neozaristischer Tugend prügelt. Oder kaltblütig ermordet, falls die Kur mit der Knute nicht anschlägt.

Providence Russe à Marioupol, wörtlich russische Vor­sehung also: Das war eine Urzelle der Metallurgie in dieser geschundenen Gegend. Von 1880 bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs industrialisierte sich das Zarenreich rasant. Die Stadt am Asowschen Meer erhielt eine Eisenbahnverbindung ins mittlerweile blutig berüchtigte Bergbaurevier am Don, den Donbass (dort hat der Kreml zwei «Volksrepubliken» ­installiert, um sich von denen zu «Hilfe» rufen zu lassen, wie es halt grad so passt).

Der damalige Boom weckte die Aufmerksamkeit agiler europäischer Unternehmer, besonders belgischer. Das kleine Land, erst 1830 zum unabhängigen Königreich ­ge­worden, war seinerzeit auf dem Kontinent (nach dem ­Vorbild der britischen Pioniere) der erste und zeitweise ­bedeutendste Industriestandort.

Seit 1832 bereits gab es die Forges de la Providence in Marchienne-au-Pont, heute ein Stadtteil der wallonischen ­Industriemetropole Charleroi. Diese Aktie stammt von 1897, dem Gründungsjahr der Providence Russe. Deren Programm war ehrgeizig: Hochöfen, Stahl- und Eisenwerke, Giessereien, Walzwerke, Koksöfen wurden geplant und gebaut; die Providence Russe betrieb auch eigene Minen.

Die Anfänge waren freilich schwierig. Die russischen Werke trugen Verlust ein. Schon 1902 musste das Kapital erhöht werden, was das französische Institut Union Parisienne federführend mit Erfolg besorgte. In der Vorkriegszeit beschäftigte die Providence Russe bis zu 4000 Arbeiter, die Gusseisen, Bleche, Profile, Schienen, Träger und dergleichen mehr herstellten. Doch schon die russische Revolution von 1905 liess künftiges Ungemach erahnen. In der Providence-Fabrik in Mariupol brachen Streiks aus, denen Repressionen und die Massenentlassung von Streikenden folgten.

Die Stadt fiel 1917 an Lenins Bolschewiki, die getreu ihrer roten Heilslehre die Providence Russe enteigneten, wie überhaupt alles. Damit war dieses kurze Kapitel der belgischen Schwerindustrie in der Schwarzmeerregion abrupt ans Ende gelangt.

Nun ist die ganze Stadt, eine Gründung von Pontos­griechen, abrupt ans Ende gelangt, mitsamt ihrer Industrie: Der russische Raubzug hinterlässt verbrannte Erde. Wer will denn hier noch jemals Geld investieren? Vielleicht nicht mal russische Oligarchen. Kapital ist ein scheues Reh.