Designworks wählt: den Pitcher
«Designers Choice», Folge 22: Anne Farken, Associate Director Sustainability im Münchner Studio von Designworks, über einen Revolutionär der Töpferei.
Als Designerin und Nachhaltigkeitsberaterin liegt mein tägliches Augenmerk unter anderem auf dem Thema neue Materialien und Technologien. Dazu gehört auch das Aufspüren von globalen Trends, Phänomenen und Talenten. Oft verhilft der Intuition aber auch der Zufall zum Erfolg. So wie kürzlich in Los Angeles, als ich in der Tortoise-Galerie eine ganz besondere Entdeckung machte: die Keramikobjekte von Ryota Aoki.
Aoki ist ein junger japanischer Künstler. Ein zeitgenössischer Alchemist, der der Töpferkunst eine völlig neue Bedeutung gibt. Seine Arbeit zeichnet sich durch Mut, Neugier und Experimentierfreudigkeit aus, die er mit viel Feingefühl und Formsicherheit vereint. Ton ist das Medium seines persönlichen Ausdrucks, und auf dem schmalen Grat zwischen Wunder und Versagen erschafft er ganz besondere Unikate: Seine Objekte sind einfach, aber nicht banal, zeitlos und doch «anders», erhaben und doch nahbar.
Aokis Atelier in Toki (Gifu, Japan) ist mehr Laboratorium denn Kunstraum. Hier experimentiert er mit einer Reihe von Tonerden, mit verschiedenen Brenntechniken und innovativen Glasuren, mit Mineralien und Milligramm: Manche seiner Lasurkreationen wechseln unter dem Einfluss von Wärme die Farbe, und schon eine Abweichung von 0,2 Gramm in der Zusammensetzung kann eine völlig andere Wirkung erzielen. Aoki ist ein leiser Revolutionär: Für die White-Porcellain-Serie zum Beispiel entwickelte er über zwei Jahre eine Glasur, die nicht wie üblich nachträglich aufgebracht, sondern in den Ton eingearbeitet wird. Beim Brennvorgang bringt sie eine feine, samtige und warme Textur hervor. Aber nicht nur der Prozess ist innovativ, das Ergebnis ist es ebenfalls: Die Gefässe erscheinen klar und delikat. Sie strahlen Solidität und positive Spannung aus und erzeugen eine ganz besondere Anziehungskraft. Im Licht erscheint das weisse Porzellan fast transparent. Die Oberflächen sind matt und beim Berühren weich wie Babyhaut. Die Formen muten zunächst traditionell an. Durch eine behutsame Überhöhung klassischer Proportionen und die Einarbeitung persönlicher Details erzeugt Aoki jedoch eine Produktsprache, die überraschend neu und magisch ist.
Der Pitcher der White-Porcellain-Serie steht mittlerweile bei mir zu Hause. Mit seiner kraftvollen Ruhe und seiner sensiblen Ästhetik versetzt er mich immer wieder in eine kontemplative Stimmung, und obwohl er noch nicht sehr lang in meinem Besitz ist, hat er schon heute das Potenzial zum Erbstück.
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