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Ist der Franken wirklich nicht mehr überbewertet?

SNB-Präsident Thomas Jordan im September 2019 vor der Bisse d'Ayent, einer Suone im Wallis und dem Sujet der neuen Hunderternote.

Seit Jahren gilt der Franken als überteuert. Nun ist alles anders: Der Franken sei nicht mehr hoch bewertet, sagt die Nationalbank. Sie bringt sogar Devisenverkäufe ins Spiel, sollte sich die Landeswährung in Zukunft zu sehr abschwächen.

Dabei tauchte der Euro vergangene Woche unter die viel beachtete Parität auf 0.99 Fr./€. Er kostet damit so wenig – und spiegelbildlich dazu der Franken so viel – wie nur ganz selten zuvor. Daniel Lampart, Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds, kritisiert in seinem Blog denn auch die Nationalbank für ihren Zinsentscheid. Seiner Einschätzung nach ist der Franken nach wie vor überbewertet.

Gleichzeitig verschickt das Beratungsteam von Wellershoff & Partners eine Studie, in der es vorrechnet, dass der Franken aktuell 15% unterbewertet sei.

Es sei unmöglich, Wechselkurse zu prognostizieren, lautet ein Bonmot, das der frühere Chefökonom der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel, Bill White, vor langer Zeit geprägt hat. Momentan bekommt man den Eindruck, dass das auch für die Einstufung des gegenwärtigen Kurswerts zutrifft.

Über den Euro hinaus: Handelsgewichtete Indizes

Es gibt verschiedene Ansätze, um Wechselkursentwicklungen zu beurteilen. Rasche Auf- und Abwärtsbewegungen signalisieren, dass eine Währung am Markt überkauft oder überverkauft ist, und damit kurzfristig über- respektive unterbewertet. Hier schwingt immer die Annahme mit, dass die Übertreibung bald eine Kurskorrektur nach sich zieht.

Wirtschaftsforscher blicken jedoch auf fundamentale Über- oder Unterbewertungen, die länger anhalten und Folgen für die heimische Wirtschaft haben können. Im Vordergrund steht der handelsgewichtete Franken. Er enthält die Frankenwechselkurse gegenüber den Währungen der Schweizer Handelspartner, gewichtet nach ihrer wirtschaftlichen Bedeutung für die Schweiz. Bis 2017 legte die SNB dafür ausschliesslich die Exportanteile zugrunde. Inzwischen werden bei der Gewichtung auch die Importanteile sowie die indirekte Konkurrenz von Drittstaaten berücksichtigt.

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Der Chart zeigt: Die jüngste Aufwertung reicht über das Verhältnis zum Euro hinaus. Aufgeführt sind die beiden von der BIZ kalkulierten Frankenindizes – der enge Index, der die Wechselkurse gegenüber 27 Ländern aufführt, sowie der breite Index, der das gleiche für 61 Länder kalkuliert. Tatsächlich hat sich der breite Index noch stärker aufgewertet als der enge, obwohl dort der Franken-Euro-Wechselkurs geringer gewichtet ist.

Das spricht also für eine breit angelegte, aussergewöhnliche Frankenaufwertung. Ganz anders als die SNB kommuniziert.

Realer Franken-Wechselkurs ist schwächer

Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Die SNB empfiehlt seit einigen Monaten, ausschliesslich den realen Frankenindex zu berücksichtigen. Bei ihm werden die Inflationsdifferenzen zwischen den Partnerstaaten und der Schweiz herausgerechnet. Ist die Inflation in der Schweiz niedriger als beispielsweise im Euroraum, dann wertet sich der Franken real zum Euro ab.

Die SNB argumentiert, dass in den vergangenen Quartalen die nominale Aufwertung des Frankens in etwa dem Inflationsunterschied zwischen der Schweiz und dem Ausland entsprochen hat, sodass sich die reale Bewertung des Frankens kaum verändert habe. Dieses Frühjahr schwächte er sich real sogar ab.

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Das Phänomen ist auch langfristig zu beobachten. Tatsächlich hat sich der reale Frankenindex seit dem Ende des Mindestkurses Anfang 2015 überwiegend seitwärts bewegt. Mittlerweile notiert er deutlich unter dem damaligen Niveau.

Eindrücklich ist besonders die reale Abwertung des Frankens 2017. In jenem Jahr beschloss die SNB denn auch, ihre Kommunikation zu ändern. Fortan sprach sie nicht mehr von Überbewertung, sondern nur noch davon, dass der Franken hoch bewertet sei. Seit der Lagebeurteilung vor zwei Wochen ist auch diese Einstufung aus dem SNB-Communiqué herausgefallen.

Kaufkraftparität als Richtwert

Handelsgewichtete Wechselkurse liefern zwar ein zeitnahes Bild von Auf- und Abwertungen. Aber wann besteht eine Über- oder Unterbewertung?

Ökonomen stützen sich in der Praxis auf Schätzungen der Kaufkraftparität (KKP).  Ihr liegt die Theorie zugrunde, dass identische Güter überall gleich viel kosten sollten. Da die Preise in der Praxis durchaus unterschiedlich ausfallen, wirkt der Wechselkurs als Ventil. Er passt sich so an, dass die Preisniveaus in verschiedenen Ländern, umgerechnet in die eigene Währung, gleich hoch sind. Die KKP hat zwar zahlreiche Mängel, sie wird aber trotzdem als Richtwert für einen sogenannten Gleichgewichtswechselkurs herangezogen.

Der Big Mac täuscht

Das bekannteste und zugleich simpelste Beispiel für die KKP ist der Big-Mac-Index der britischen Zeitschrift «The Economist». Demnach ist der Franken massiv überbewertet. In der letzten Erhebung im Januar 2022 kostete ein Big Mac in der Schweiz 6.50 Fr. und in den USA 5.81 $. Daraus ergibt sich ein Dollar-Wechselkurs von 1.12 Fr./$ (6.50/5.81). Da der Wechselkurs tatsächlich 0.96 Fr./$ beträgt, ist der Dollar 17% unterbewertet resp. der Franken 17% überbewertet. Das Ergebnis ist anschaulich, aber nicht repräsentativ.

Der von UBS kalkulierte KKP-basierte Franken-Dollar-Wechselkurs kommt zum entgegengesetzten Ergebnis: Er liegt bei 0.75 Fr./$. Zum aktuellen Kurs ist der Dollar also etwa ein Fünftel zu hoch bewertet, der Franken ist unterbewertet.

Franken ist zum Euro fair bewertet

Zum Euro hat der Wechselkurs mit seinem Durchbruch unter die Parität hingegen eine Punktlandung hingelegt. Der von UBS berechnete KKP-basierte Euro-Kurs liegt auf 0.99 Fr./€. Zumindest gegenüber der Gemeinschaftswährung ist der Franken damit fair bewertet.

Zeiten, in denen die Marktkurse und die KKP-basierten Kurse übereinstimmen, sind die Ausnahme. Abweichungen dauern in der Regel rund vier Jahre, danach bewegen sich die Kurse wieder aufeinander zu.

Die langfristigen Trends stimmen jedoch überein. Sie zeigen, dass sich die Schweizer Wirtschaft laufend an den hoch bewerteten Franken anpasst, beispielsweise mithilfe von Produktivitätssteigerungen. Über die Jahre hinweg verliert damit die Frankenstärke von selbst ihren Schrecken.