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Kaffee mit...

«Schmeckt nicht, gibt’s nicht», ist ein geflügeltes Wort seines Kochkollegen Tim Mälzer, mit dem sich der Hanseate Heiko Nieder voll und ganz identifizieren kann. «Ich möchte nicht unbedingt Affenhirn oder ähnliches kosten, aber prinzipiell schliesse ich kein Geschmackserlebnis aus», erklärt der Chef Fine Dining des Dolder Grand. Nieder und sein Team sind mit zwei Michelin-Sternen und 19 Gault-Millau-Punkten dekoriert. Wenn etwas gekonnt zubereitet wird und die Qualität der Rohwaren stimme, dann wird das Gericht auch schmecken.

Selbst wenn Nieder keine Leibspeise benennen kann, dann sind ihm doch die Gerichte aus der Kindheit in Erinnerung geblieben. Vom Gulasch der Grossmutter hat sich der Bub immer zwei volle Teller gegönnt. Überhaupt war die Zeit mit der Oma prägend. Sie sei eine typische Frau der deutschen Kriegsgeneration gewesen, die sich durchkämpfen musste und im Laufe des Lebens ganz unterschiedliche Jobs gemacht hat. Irgendwann war sie dann Köchin und hat ihren Enkel ab und zu mit in die Grossküche genommen.

«Da unsere Eltern beide berufstätig waren, hat meine Grossmutter für meine Schwester und mich auch oft gekocht», erzählt Nieder bei einem Espresso im gut gekühlten, gediegenen Dining Room des Dolder Grand an einem heissen Sommernachmittag. Und wenn sonst keiner zu Hause war, hat sich Nieder selbst schon in jungen Jahren am Kochherd ausprobiert. Er esse einfach leidenschaftlich gerne, und das sei schon immer so gewesen. Relativ früh stand für ihn somit fest, welche Laufbahn er einschlagen würde.

Das sei eigentlich wie damals, als es vor den Ferien die Schulnoten ­gegeben habe, antwortet der Koch des Jahres 2019 auf die Frage, ob das Leben als Küchenchef, der in Sachen Sterne und Co. einiges zu verlieren hat, nicht wahnsinnig stressig sei. «Je näher das Abitur rückt, desto spannender wird der Tag der Zeugnisse, weil es einfach um mehr geht», erläutert Nieder, und als Sternekoch erlebe man das bei der jährlichen Veröffentlichung der Prämierung durch die Restaurantführer genauso. Aber als nervenzehrender als andere Berufe empfindet er seinen Job nicht.

Das nimmt man ihm sofort ab, wirkt er doch sehr unaufgeregt. Beim kurzen Besuch in der blitzblanken Edelstahlküche des Fine Dining ist die Crew an diesem Nachmittag fröhlich und konzentriert bei der Arbeit. ­Gerade wird ein grosses Bankett für den Abend vorbereitet. Einzelne Vorspeisenhäppchen sind schon erkennbar. In der Regel werden für einen normalen Serviceablauf im Fine Dining insgesamt neun Köchinnen und Köche benötigt. Bei zwölf Mitarbeitenden können so immer zwei die aufgelaufene Überzeit kompensieren. Das Team komplettiert ein Chocolatier, der allerdings eigene Arbeitszeiten und einen separaten Arbeitsraum hat.

Wann das eigene Menü durch die Testesser der einschlägigen Restaurantführer unter die Lupe genommen wird, wissen die Köche sowieso nie. «Jeder Teller zählt, so oder so», versichert Nieder. Der auf Perfektion bedachte Sternekoch fährt nie 100% zufrieden heim nach getaner Arbeit. Die Tage sind durchgetaktet und spielen sich zwischen der Profiküche und der Familie ab.

«Wenn ich zu Hause bin, koche ich in 98% der Fälle», meint Nieder. Die Tage sind zerrissen, weil er oft mehrmals täglich zwischen dem Arbeitsort und dem Zuhause hin- und herfährt. Seine Frau ist berufstätig, die zwei Töchter müssen oft von der Schule abgeholt und zu anderen Freizeitbeschäftigungen hingebracht werden. Samstags gibt es dann aber auch einfach mal Pasta oder Risotto zum Mittagessen. Montags, einem freien Tag für den Koch, geht die Familie auch gerne mal auswärts essen.

Da im Dolder möglichst mit regionalen Lebensmitteln gekocht wird, haben sich die durch die Pandemie bedingten Lieferkettenprobleme kaum bemerkbar gemacht. Die Preise für gewisse Produkte und deren Transport sind allerdings merklich gestiegen. Auch der Mangel an gut ausgebildetem Servicepersonal hätte schon vor der Coronazeit bestanden.

Was den Sternekoch denn nervös macht? «Eigentlich bin ich kein Planer, aber in den Ferien muss ich immer im Voraus wissen, wo wir abends essen, sonst werde ich unruhig», gesteht er. Einfach mal so durch Barcelona bummeln und einkehren, wo es gerade ansprechend aussieht, funktioniere zum Leidwesen seiner Frau mit ihm nicht. Dadurch, dass er überall Berufskollegen hat, mangelt es an Restauranttipps sowieso nicht. Auf den Malediven, wo die Familie derzeit die Sommerferien verbringt, ist die Dichte an erstklassigen Restaurants besonders hoch.