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Kaffee mit...

Es ist aussergewöhnlich warm an diesem Dienstag im Mai – ein Vorgeschmack auf das, was noch kommen wird. Schnell gegessen ist darum das Glacé. Marco Fritsche wählt Pistazie und Stracciatella. Weil die «Gelateria am Bach» noch geschlossen ist, kommt es von der Hauptgasse. Dazu ein Espresso – der erste von mehreren. Serviert von Fritsche selbst. Der Moderator von «Bauer, ledig, sucht…» wohnt «zmitzdrinn in Appenzell, aber doch separat», wie er vor dem Holzhaus aus dem Jahr 1698 erklärt.

Das Appenzellerhaus hat der 46-Jährige vor elf Jahren gekauft. «Damals ein Abbruchobjekt, nach der Sanierung gewann es den Appenzeller Heimatschutzpreis.» Günstig war das nicht. «Den oberen Kachelofen instand zu setzen, kostete zwischen 20 000 und 30 000 Franken. Die Fenster auf alt-neu zu machen zwischen 40 000 und 60 000.» Gelohnt hat es sich allemal. «Schon nach einer Woche hat es sich angefühlt, als ob ich mein ganzes Leben hier verbracht hätte. Das Haus umarmt einen. Es ist aber auch eine Lebensaufgabe.» Immer wieder steht etwas an. Gerne hätte er Sonnenkollektoren. «Weil das Haus seit der Renovation ortsbildprägend ist, heisst es: ‹na, na, na›. Es ist ein bisschen uncool, mit Gas zu heizen. Der zukunftsträchtigste Energieträger ist es nicht. Vom moralischen Aspekt ganz abgesehen.» Bei jeder grösseren Reparatur stelle er sich die Frage, wie fest er sich wieder verdingen müsse, damit er das Geld reinkriege. «Ich arbeite so viel wie nötig und so wenig wie möglich.» Sein Privatleben halte ihn auch so auf Trab. Vor einem Jahr ist sein Partner zu ihm gezogen.

Unterdessen brennt die Sonne noch stärker. Dagegen hilft auch der zweite Espresso nichts. Das Glas Wasser schon eher. Zum Glück ziehen ab und an Wolken vorbei. Sie bieten Schatten. Sichtschutz bieten derweil zwei grosse Container neben dem Sitzplatz. «Die gehören dem Nachbarn. Er wollte sie nur kurz stehen lassen. Das war vor mehreren Jahren.» Fritsche ist unterdessen aber froh drum. «Es gibt so einen urbanen Hamburger-Hafen-Touch.» Zudem bieten sie Privatsphäre. Die Dorfführung geht nicht weit an seinem Haus vorbei. «Es dauerte nicht lange, bis das Winken begann und ich wieder rein ging.» Nicht, dass er etwas gegen Menschen hätte. Na ja, vielleicht ein bisschen. «Je älter ich werde, desto misanthropischer bin ich. Einzelne Menschen finde ich okay, aber sobald sie in grösseren Gruppen auftauchen, nerven sie mich, egal welcher Nation oder Herkunft. Menschen in Grossgruppen sind schwer zu ertragen.»

Das Gespräch wird nun in der Küche der Einliegerwohnung im ersten Stock fortgesetzt. Draussen ist es zu heiss. Auch für das iPhone, das nach einer Abkühlung verlangt. Auf dem Land war Fritsche immer zu Hause. Gleichwohl hatte er auch ein Bein in der Stadt, genauer in Zürich, dort hatte er zehn Jahre eine Wohnung. Stadt oder Land spielt für ihn keine Rolle. «Ich finde es lächerlich, wenn man in der Schweiz von einem Stadt-Land-Graben spricht. Den gibt es nicht. Es gibt kein Land, dass mehr als eine halbe Stunde von der Stadt weg ist.»

Fritsche kennt das Land und die Landbevölkerung der Schweiz. Seit 14 Jahren moderiert er «Bauer, ledig, sucht…». Dabei erlebt er immer noch Überraschungen. Beispielsweise bei Hansueli aus Ausserrhoden. «Er ist zwei Jahre jünger als ich und stürzte vor drei Jahren in eine Krise, als ihn seine Frau verliess. Er sprach aber so frei und offen über seine Scheidung und darüber, dass er psychologische Unterstützung hatte, da war ich fast überfordert. Ist das Bauer 2.0?» Zu sehen sind Hansueli und die anderen neuen Kandidaten ab dem 25. August auf dem Sender 3+. Auch wenn Fritsche nicht mehr zur Selbstverwicklung arbeitet, Ambitionen hat er noch. «Ich bin süchtig nach deutschen Talkformaten. Anne Will finde ich mit Abstand die Beste, so was würde ich auch gerne machen.» Auf Tele Ostschweiz hatte er einmal eine Talksendung. «Nach fünf, sechs Jahren hatte ich aber alle Gäste schon einmal, da war es für mich Zeit, aufzuhören.»

Auch im realen Leben sucht er den Austausch. Immer wieder geht er an den Stammtisch. «Dort kommen alle zusammen. Feuerwehrleute, Hobby-Intellektuelle, Bauern. Diskutiert wird, was aktuell ist.» Aber nicht nur, es gebe auch den persönlichen Austausch. «Das Dorf ist liberaler als die Stadt. Hier muss man sich mit allen Meinungen auseinandersetzen, weil man nicht aneinander vorbeikommt. In der Stadt kannst du in deiner Bubble bleiben.» Mit anderen Meinungen zu leben, ist nicht immer einfach. «Gelitten habe ich bei der Abstimmung zur Ehe für alle. Am Stammtisch kennt man die Leute schon lange und dann hauen sie Sachen raus, wo ich denke, ‹echt jetzt?›. Da gibt es nur eine Lösung. Mit gewissen Leuten spricht man bestimmte Themen nicht an, sonst mag man sich ja.»

Auch wenn Appenzell Innerrhoden katholisch geprägt ist, musste er als Schwuler keine dummen Sprüche anhören, zumindest nie direkt. Das lag vielleicht aber auch daran, dass er als Heterosexueller sozialisiert worden ist. «Etwas anderes wäre mir gar nie in den Sinn gekommen, weil es das nicht gegeben hat.» Er habe es sich mühsam erarbeiten müssen. «Ich weiss nicht, ob es auch so entspannt gewesen wäre, wenn ich der Schreiner vom Dienst wäre.» Er war halt schon immer ein bisschen der «Paradiesvogel», wie sie hier sagen. «Entsprechend grosse Narrenfreiheit habe ich genossen.» Daran hat sich bis heute nichts geändert.