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Kaffee mit…

Am Abend treffe ich mich mit Wolfgang Beltracchi und seiner Frau Helene, die ihn begleitet, im exklusiven Hercules Club am Zürcher Rennweg. Hier kommt nicht jeder rein, denn die Mitgliedschaft ist nur ausgewählten Männern vorbehalten. Einige Bilder Beltracchis verzieren die Wände des Clubs. Der Maler stellt hier seine Kunst aus und trifft sich des Öfteren mit potenziellen Käufern. Ein düsteres Bild mit Engeln sticht besonders ins Auge. Die geflügelten Wesen faszinieren den 71-Jährigen seit jeher. Als Jugendlicher half er seinem Vater, der Kirchenmaler war, praktisch jeden Nachmittag bei der Arbeit. Von ihm hat er sein Handwerk gelernt.

Fürs Fälschen genügt es allerdings nicht, ein talentierter Maler zu sein. «Das ist ein hoch komplizierter Vorgang», sagt Beltracchi. «Ein Fälscher muss die künstlerische Handschrift anderer ­Maler übernehmen können und daneben gleichzeitig Naturwissenschaftler, Restaurator und Kunsthistoriker sein.» Beltracchi stört sich jedoch am Begriff «Fälscher». Im Grunde habe er nur die Unterschriften gefälscht. Bilder kopiert habe er nie, sondern immer Originale im Stil von Künstlern wie Max Ernst oder Heinrich Campendonk gemalt. «Meine ­Bilder waren sogar oft noch originaler als die Originale und häufig auch die teuersten Werke der Maler.»

Seit seiner Verurteilung sind mittlerweile elf Jahre vergangen. «Die vierzehnmonatige Untersuchungshaft war eine schreckliche Zeit», erinnert sich Beltracchi. Die anschliessenden drei Jahre im offenen Vollzug waren um einiges angenehmer. Während dieser Zeit durfte Beltracchi das Gefängnis an den Wochentagen verlassen, um mit seiner Frau (und Komplizin) im Atelier zu arbeiten. Zudem wurde ihm wieder mehr Bewegungsfreiheit gewährt. «Für die Arbeit bin ich dann auch schon mal nach Berlin oder Hamburg geflogen.»

Über drei Jahrzehnte hat Beltracchi die Kunstwelt hinters Licht geführt und dabei gemäss eigenen Angaben an die 300 Gemälde geschaffen, die sich auf der ganzen Welt verteilt haben. Dennoch kommt es ab und zu vor, dass er in einem Museum einem seiner Bilder begegne. Was er dann tue? «Ich bleibe vor allem nicht lange davor stehen», antwortet der Maler mit seinem gewinnenden Lachen. Ein Werkverzeichnis seiner Fälschungen führt er nicht. «Das gibt es nicht und wird es auch nie geben», so der Künstler. Falls der Besitzer eines Werks aber den Verdacht hege, es handle sich um einen Beltracchi, gibt er ihm eine ehrliche Antwort. «Viele Leute fragen mich an, in der Hoffnung, dass ihr Bild von mir sei.» Andere interessiere das gar nicht. Vielen genüge die Echtheitsexpertise.

Die Frage, ob er auch ein bisschen froh war, dass das Ganze ans Licht kam und er so Berühmtheit erlangte, verneint Beltracchi. «Früher war ich reich und hatte meine Ruhe. Jetzt muss ich viel mehr arbeiten – und mit Ruhe ist auch nichts mehr.» Für die Beltracchis war das Leben damals sehr angenehm. «Wir hatten viel Spass bei der ganzen Angelegenheit», gibt er zu und ergänzt: «Zudem hatten wir unendlich viel Zeit für unsere beiden Kinder und sind oft mit ihnen gereist.» Die dadurch entstandene enge Bindung habe sehr geholfen, als der Schwindel aufgeflogen sei.

Heute benutzt Beltracchi zwar noch immer die Handschriften anderer Künstler – das aber ganz legal unter eigenem Namen. Er schöpfe bewusst aus seinem über die Jahre erworbenen Fundus: Während seiner Fäl­scherkarriere hat Beltracchi ungefähr 120 verschiedene Künstler aus vier Jahrhunderten gemalt. «Wenn ich ein Thema habe, das ich malen möchte, dann überlege ich mir, welche künstlerische Handschrift dafür am besten passt. Ich kann auch verschiedene Handschriften mischen und habe rund ein Dutzend eigene, die ich ebenfalls einbringen kann. Das ­ergibt dann schlussendlich das Bild.»

Er könne alles und jeden malen, und das sowohl mit rechts als auch mit links. Das beidhändige Malen war für den Künstler ein Muss, da er sonst keine Linkshänder hätte malen können. Bei Beltracchi entstehen die Gemälde jeweils im Kopf. «Das, was ich auf die Leinwand bringe, ist hingegen schon eine abgewandelte Form.» Das Malen empfindet Beltracchi manchmal sogar als lästig. Es dauere unter Umständen lange, bis ein Bild fertig sei. In der Zwischenzeit habe er aber schon wieder bessere Ideen. «Ich werde ständig von meinen Ideen überholt», sagt der Deutsche.

Im Club sind auch einige physische NFT (Non Fungible Tokens) ausgestellt. Der ehemalige Kunstfälscher ist letztes Jahr in die fälschungssichere Kryptokunst eingestiegen und hat für ein Projekt rund 2600 verschiedene NFT auf der Basis von Leonardo da Vincis Gemälde «Salvator Mundi» kreiert. Dafür hat er zuerst zwanzig physische Werke gemalt, die im Anschluss zergliedert und fototechnisch bearbeitet wurden. Für die ersten digitalen Kunstwerke hat der Maler je drei Ethereum erhalten, was damals noch ca. 12 000 Fr. entsprach. Danach sank der Preis jedoch stark.

Beltracchi ist sich unschlüssig, ob Kunst als Anlagevehikel taugt. «Wer den Kunstmarkt so gut kennt wie ich, der weiss, wie schwierig das ist.» ­Investoren sollten sich gut auskennen, denn dem Kunstmarkt könne man nicht vertrauen. Es sei grundsätzlich empfehlenswert, nur Bilder zu kaufen, die man auch gerne anschaue.