Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Ukrainischer Grenzfall

Wäre sie noch in Betrieb, die Lokalbahn Lemberg (Kleparów)-­Jaworów, dann erlebte sie jetzt eine kriegsbedingte Konjunktur. Sie führte nämlich, zu Kaisers Zeiten, von der Hauptstadt Galiziens 54 km ­westwärts; dort, von Jaworów aus, lässt sich die heutige ­polnische Grenze zur Not per pedes erreichen, in vier, fünf Stunden vielleicht. Die Prioritäts-Aktie über 400 Kronen wurde emittiert im seligen Jahre 1903, als Franz Joseph I. Kaiser von Österreich und ­König von Ungarn war, neben vielen anderen hohen Adelswürden. Die Garnison Lemberg war damals, vor dem katastrophalen Ersten Weltkrieg, ein Eckpfeiler der k.u.k. Armee an der Ostgrenze – eine Bastion zum Schutz vor dem Zarenreich. In der Stadt wohnten seinerzeit vor ­allem Polen, wie das zweisprachig gehaltene Wertpapier zeigt; daneben viele Juden, Ukrainer und Deutsch-Österreicher, besonders im Offizierskorps und im Beamtenapparat. Lemberg kannte eine lebhafte Kaffeehaus- und Konditoreienszene. Unter dem Hause Habsburg (ursprünglich Aargauer!) war wohl beileibe nicht alles wie in champagnerbeschwipsten Strauss-Operetten, aber das Etikett «das kleine Wien» trug Lemberg – ukrainisch Lwiw, polnisch Lwów – zu Recht.

Dort debattierte der galizische Landtag, dort hielt des ­Kaisers Statthalter Hof, dort residierten ein Oberrabbiner und drei Erzbischöfe: ein römisch-katholischer, ein griechisch-katholischer und ein armenisch-katholischer. Vielleicht ist bald alles ganz anders: Alle Macht liegt in den Händen des russischen Militärgouverneurs, und ein russisch-orthodoxer Eparch betet vor. Oder nach.