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Angst und Gier

Elon Musk ist sonst eigentlich nie um eine klare Aussage verlegen. Dieser Mann will mit seinen Unternehmen die Welt revolutionieren. Dieser Mann kifft nonchalant in der Öffentlichkeit. Er wünscht US-Politikern via Twitter den Tod, schiesst Raketen ins All und tüftelt mit aller Kraft daran, dass die Menschheit auch in zwei Jahrhunderten noch gut auf der Erde leben kann – oder dann halt auf einem anderen Planeten.

Doch bei einem Thema wird der Weltmann erschreckend klein: China. «Ich gehe nicht mit allem einig», antwortete Musk diese Woche schmallippig auf eine Frage an einer Konferenz des «Wall Street Journal» – und das war’s. Damit leistete Musk den minimalen Gewissensdienst im Angesicht eines diktatorischen Regimes, das Andersdenkende erbarmungslos verfolgt und tötet, das menschlich gegen alles steht, was wir in unsern Breiten gemeinhin als offene, liberale Gesellschaft bezeichnen.

Wie einfach war es doch im Kalten Krieg. Wie günstig war damals die Kritik. Das marode Moskau hatte nichts zu bieten für die Unternehmen des Westens. Peking hingegen hat einen Riesenmarkt unter seiner Knute, mit führenden Technologieunternehmen und einem immer zahlungskräftigeren Milliardenvolk. Wem es hier gelingt, seine Produkte an Frau und Mann zu bringen, dem winken schier unermessliche Reichtümer. Doch dieses Eldorado ist vergiftet. Der Eintrittspreis sind Wohlfeilheit und Schweigen im Angesicht eines Torwächters mit Weltmachtanspruch und Nulltoleranz für nur die geringste Spur von Kritik.

Und so zensierte sich Musk gleich selbst. Er hat schliesslich grosse Unternehmungen im Reich der Mitte. Musk will China, China will Musk. Alle, die China wollen, schweigen heute ohrenbetäubend. Oder sie machen den Kotau, sollte ihnen doch mal etwas herausrutschen. Zuletzt entschuldigte sich Jamie Dimon, Chef der grössten US-Bank JPMorgan, öffentlich beim Regime in Peking. Im Scherz war ihm entfleucht: Seine stolze Bank werde es wohl länger geben als die Kommunistische Partei Chinas.

Die Regierungen der USA, Grossbritanniens, Kanadas und Australiens mögen die kommenden Olympischen Winterspiele in Peking wegen der Menschenrechtsverletzungen des Regimes zu Recht diplomatisch boykottieren. Die grossen Unternehmen dieser Länder werden hingegen wie selbstverständlich als Sponsoren und Werber dabei sein. Es ist ein Tanz mit dem Teufel, ein Verkauf der Seele. Grosse potenzielle Reichtümer im Tausch gegen die Ideale, die diese Unternehmen in den westlichen Ländern bei jeder Gelegenheit hochhalten. Demokratie, Gleichberechtigung, Selbstbestimmung. Sie sind längst zu leeren Phrasen verkommen.

Die Unternehmen dürften wie Musk im Angesicht der bald grössten Volkswirtschaft der Welt mit dem bald mächtigsten Militär der Welt eine klamme Hoffnung hegen: «Ich hoffe, dass das neue, bald grösste Kind in der Nachbarschaft auch weiss, dass es das grösste ist, und sich dementsprechend verhält», stotterte Musk dann doch noch. Es ist die Hoffnung auf einen wohlmeinenden Diktator. Eine Hoffnung, die noch zu jeder Zeit in der Geschichte vergebens war.

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