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Der Euro und die Wissenschaft

Markttechnik ist aus meiner Perspektive keine Finanzanalyse, sondern eine Systemanalyse. Finanzanalyse befasst sich mit Verhältnismässigkeiten zwischen zwei Systemen, wie zum Beispiel dem Wirtschaftssystem einerseits und dem Finanzsystem und seinen Segmenten andererseits, die als Teilmärkte daherkommen wie die Aktienbörsen oder die Devisenmärkte. Das Resultat der markttechnischen Analyse ergibt sich aus einer Vernetzung der Segmentanalyse und ihrer Einzelteile, wie Devisen, Aktien, Sektoren usw.

Beide Systeme weisen Eigenschaften auf, die unter anderem der im Jahr 1998 verstorbene Soziologe Niklas Luhmann als «autopoietisch» bezeichnete. Investor George Soros nennt sie einfach reflexiv: Sie beeinflussen sich gegenseitig, wobei nie alle Variablen eines Systems eine Rolle für das andere System spielen. Die tonangebenden Populationen eines jeden Systems wählen jeweils aus, welches Geschehen in einem anderen System gerade als relevant angesehen wird, und verdichten die Auswahl zu einem Paradigma, das sie bis zum Exzess «reiten».

Wolken am Horizont?

Gegenwärtig gibt es einige Publikationen hochkarätig besetzter Gremien, die dunkle Wolken am Horizont für den Euro aufziehen sehen. Das sieht der Devisenmarkt anders.

Nun gibt es zwei Möglichkeiten: Die dunklen Wolken verziehen sich, weil sich aufgrund von Soros’ Reflexivitätstheorie manche Variablen im Wirtschaftssystem zugunsten des Euros verschieben, oder es kommt am Devisenmarkt der Tag der Erkenntnis und damit zu Korrekturen von Devisenkursen, die sich wegen eines unhaltbaren Paradigmas von jedem Bezug zum Wirtschaftssystem verabschiedet hatten.

Derzeit ist meine Beobachtung die, dass der Euro nicht so gehandelt wird, wie seine hochkarätigen Kritiker die Welt verstehen – wobei: «Derzeit» ist etwas kurz gegriffen. Es ist nämlich seit einem Jahr so. Zum Franken beispielsweise hat der Euro seit Ende März 2017 um über 10% und zum Dollar um über 16% an Wert gewonnen.

Marktbreite ist vorhanden

Es gibt keine bedeutende Währung auf der Welt, zu der der Euro in den vergangenen zwölf Monaten nicht zugelegt hätte. Die Marktbreite ist gegeben, der Euro ist nicht punktuell gestiegen, weil die eine oder die andere Währung schwach war. Es handelt sich somit um einen global anziehenden Wechselkurs des Euros.

Am Aufwärtstrend des Euros auch zum Franken wird sich kaum etwas ändern, obwohl ich davon ausgehe, dass um etwa 1.20 das besteht, was Markttechniker als «Widerstand» bezeichnen, ein Konzept, das mangels vertieften Verständnisses der Prospekttheorie von Kahneman und Tversky oft belächelt wird. Nach einer Pause leicht unter 1.20 Fr. wird, so meine Erwartung, der Euro seinen Aufwärtstrend fortsetzen, bis es zum Showdown des Marktes mit den Professoren kommt. Wer dannzumal gewinnt, ist noch offen. Mein Anliegen ist jedoch nicht, eine Vorhersage zu treffen, um dann akademisch recht zu bekommen, sondern ganz einfach auf der richtigen Seite des Marktes zu liegen.

In meinen bald fünf Jahrzehnten professioneller Tätigkeit an den Finanzmärkten habe ich beides erlebt: die Veränderung fundamentalökonomischer Daten durch Finanztrends wie auch aus dem Ruder gelaufene Finanzpreise, die nicht nur schmerzhaft korrigierten, sondern Exzesse in die Gegenrichtung herbeiführten.