Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Die US-Notenbank wird noch zum Brandbeschleuniger

Die US-Notenbank Federal Reserve bekennt sich dazu, mit harschen Zinserhöhungen die Inflation einzudämmen.

Es gibt diese Zeiten, da wird Konjunkturbeobachtung endlich wieder spannend. Meist dann, wenn sich wie derzeit eine neue Krise anbahnt. Noch weiss niemand, wie schwer sie ausfallen wird und was letztlich die Gründe sein werden. So fragen sich viele Leute heute zu Recht, ob nicht sogar eine lähmende Wachstumsschwäche droht, die mit den stark steigenden Preisen zusammenfällt, hochgeschaukelt auch durch Putins verdammten Krieg.

Oder sind es am Ende tatsächlich die Notenbanken, die mit den harschen Zinserhöhungen die Wirtschaft abwürgen? Springen sie vielleicht nur auf den fahrenden Zug des unabwendbaren Abschwungs auf? Klar ist nur eins: Lange vorbei sind die Monate wie zu Beginn der Pandemie oder in der Finanzkrise, als die Wirtschaftsleistung einfach nur wie ein Stein in die Tiefe fiel.

Wir alle merken die Einschnitte starker Konjunktureinbrüche oft drastisch, wenn die Einkommen sinken und viele Leute ihren Job verlieren. Für Konjunkturinteressierte sind solche Phasen aber ehrlich gesagt eher langweilig, also wenn es immer nur abwärtsgeht. Genau deswegen ist dieser Blog in der Pandemie auch eingeschlafen. Auch weil ganz andere Fieberkurven viel spannender waren.

Den Prognostikern in den Forschungsinstituten oder den Banken wird dagegen nie langweilig, liefern sie uns doch auch in dunkelsten Konjunkturzeiten Woche für Woche neue Vorhersagen. Doch mich erinnern solche tiefen Abstürze und selbst die darauf folgenden Erholungsphasen eher an aussergewöhnliche Fussballspiele. Irgendwann wird auch jedes Spiel öde, das am Ende 10:0 oder 0:10 ausgeht.

The State of Swing erwacht aus dem Winterschlaf

Doch diese Zeiten sind jetzt vorbei. Womit dieser Blog endlich aus dem Winterschlaf erwachen kann: um ein paar Gedanken und Beobachtungen zu sammeln und zu bündeln. Denn leider liefern die meisten akademischen Ökonomen (mit ihren modernen Makromodellen) für Journalisten wie mich noch immer oft wenig Aufklärung, wenn es darum geht, die Konjunkturdynamik zu verstehen.

Wahrscheinlich mögen Notenbanker solche Rechnereien sehr gerne, auch bei volkswirtschaftlichen Simulationen dürften solche Modelle eventuell sinnvoll sein. Aber schon bei den Prognostikern lässt die Begeisterung dafür oft ziemlich schnell nach. Gut möglich sogar, dass gerade diese gebräuchlichen Modellklassen mit dazu beigetragen haben, dass die Zentralbanken den jüngsten Inflationsschub so lange verschlafen haben, sagen uns jedenfalls kluge Investoren.

Moderne Makromodelle setzen Konjunkturschwankungen aus mehr oder weniger zufälligen Schocks und anderen Marktunvollkommenheiten zusammen. Oft geht es dabei aber nur um Abweichungen von einem langfristigen Wachstumspfad – statt um die Eigendynamik der Marktwirtschaft, die solche Schwankungen erzeugt. Nun muss die breite Öffentlichkeit keine komplizierten Modelle verstehen, aber oft fehlt es leider auch einfach an erklärender Theorie dazu.

Die Eigendynamik der Marktwirtschaft beobachten

Dabei lässt sich schon lange sehr gut beobachten, wie diese Eigendynamik aussieht, die die kapitalistischen Marktwirtschaften seit fast 200 Jahren immer wieder durchlaufen. Eine Dynamik, die verstärkt wird von allen möglichen Schocks, sonstigen Übertreibungen an den Finanzmärkten oder anderen Marktunvollkommenheiten. An diesem Grundmuster aus immer wiederkehrendem Auf- und Abschwung hat sich bis heute nichts geändert, wenn wir nur genau hinschauen.

In diesem Blog folgen wir daher dem traditionell-klassischen Ansatz in der Ökonomie. Demnach lassen sich Boom und Krise zumindest aus den grundlegenden Verhältnissen einer Volkswirtschaft beschreiben – was keine schlechte Basis sein sollte, um die Konjunkturdynamik zu erklären. Nehmen wir einfach das Gesamteinkommen eines Landes: Es teilt sich bekanntermassen immer in eine sehr grosse Lohnsumme und die Gewinnsumme auf.

Einmal schwingt das Konjunkturpendel in Richtung der Gewinne (also im Aufschwung), das andere Mal in Richtung der Löhne (oft erst im Abschwung). Das Verhältnis zwischen beiden Einkommensteilen ist ständig in Bewegung und erzeugt zugleich die so wichtigen Anreize: Steigen die Gewinnmargen und sinkt die Lohnquote, werden viele Unternehmen einfach noch mehr investieren.

Genau auf dieser Makroebene können wir so eine Dynamik auch in den Ausgaben einer Volkswirtschaft verfolgen. So wachsen im Aufschwung die Ausgaben für neue Investitionen in Maschinen, Lizenzen, Geräte, Fahrzeuge (also in den Kapitalstock). Aber sie wachsen auf dem Höhepunkt jedes Aufschwungs schneller als die Summe, die wir alle für unsere täglichen oder langlebigen Konsumgüter ausgeben.

Investitionen sind der Konjunkturtreiber

Natürlich müssen auch der Konsum und die anderen Ausgaben (zum Beispiel des Staates) wachsen, weil sonst am Ende auch das letzte Unternehmen sein Interesse verliert, bei einem sinkenden Umsatz sein Kapital in teure neue Gerätschaften anzulegen. Schlussendlich entstehen aber an all diesen Anlagen genau die Produkte (seien es Konsumgüter oder auch Dienstleistungen), die unsere Konsumbedürfnisse befriedigen sollen.

Doch allein die Grösse des privaten Konsums (fast 70% des US-Bruttoinlandprodukts) sagt noch nicht viel über die Bedeutung für die Wirtschaftsdynamik aus. Denn wir können immer wieder beobachten, dass die Investitionsausgaben für frisches Kapital im Aufschwung schneller wachsen als alle anderen Ausgaben. Umgekehrt wachsen die privaten Konsumausgaben dann am schnellsten, wenn ein Land in eine Rezession stürzt.

Aber warum beschleunigt sich im Aufschwung das Wachstum der Investitionen schneller als bei allen anderen Ausgaben? In einer Marktwirtschaft kontrolliert niemand, wie viel jedes Unternehmen für neue Produktionsanlagen ausgibt. Doch die Unternehmen stehen im Wettbewerb: Wer am meisten investiert, hat am Ende die besten Chancen, den grössten Teil vom Gewinnkuchen abzubekommen, der schliesslich auf eine Branche entfällt.

So beschleunigen sich die Ausgaben für die Investitionen stärker, was zugleich oft auch mit dem stärkerem Jobaufbau verbunden ist. Der Stellenzuwachs wiederum erzeugt genau die Nachfrage, deren Wachstum jeder Aufschwung braucht.

Dass die Investitionen im Aufschwung ihr Wachstum schneller beschleunigen als der Konsum und alle anderen Ausgaben, ist nur deswegen möglich, weil sich die Kapitalausgaben erst über Jahre hereinspielen müssen: Jahr für Jahr verkauft ein Unternehmen seine Konsumprodukte, und der Erlös muss erst nach ein paar Jahren die Investitionsausgaben decken. Zumindest ist dies in den überwiegenden Fällen der Plan.

Bis vor kurzem erlebten wir aber eine ungewöhnliche Konjunkturkonstellation in den USA, die dadurch geprägt war, dass die Konsum- und die Investitionsquote gleichzeitig immer schneller stiegen, was jetzt allerdings vorbei ist. Im Gegenzug verlangsamte der Staat seit dem Frühjahr 2021 sein direktes Ausgabenwachstum (für Konsum und Investitionen). Die Konsumchecks der Regierung Biden sind davon unberührt, denn sie tauchen grossteils im Privatkonsum auf.

Eigentlich kommt irgendwann immer der Punkt, ab dem Investitionen in den Kapitalstock sich nicht mehr beschleunigen können, vor allem wenn der Konsum immer weiter hinterherhinkt. Erst lassen zu Beginn eines Aufschwungs die schneller steigenden Investitionen auch den Anteil der Gewinne am Gesamteinkommen wachsen: Da nicht alle, aber viele Investitionen die Produktivität erhöhen – also das Einkommen, das pro Stunde entsteht –, können die Gewinne damit auch stärker wachsen als die steigende Lohnsumme.

Doch irgendwann fängt die Profitabilität zu sinken an, dies passiert oft erst am Ende des Zyklus, nicht in der Phase, in der wir uns gerade wiederfinden. Denn irgendwann reicht der Erlös aus dem Verkauf von Konsumprodukten nicht mehr aus, um die Kosten für Lohn und Kapitalanlagen zu decken und dabei einen wachsenden Gewinn einzuspielen. Das ist der eigentliche Grund für jede Rezession, das relative Zurückbleiben des Konsums. Sinkende Gewinnaussichten bringen den Investitionsmotor schliesslich zum Erliegen und jeden Konjunkturzyklus zu einem Ende (bis es von neuem beginnt).

Am Ende des aktuellen Zyklus sind wir aber noch lange nicht, ganz im Gegenteil: Vieles spricht dafür, dass wir derzeit eine «klassische» Rückprallkrise erleben, die durch den Konsumstau nur beschleunigt wurde. «Klassisch» bedeutet hier einfach, dass wir dies nach der Finanzkrise schon einmal gesehen haben, als eine gewaltige Erholung nach dem Absturz folgte.

Nur dass damals, 2010 und 2012, die US-Notenbank nach dem ersten Rückprall erneut ihre riesigen Anleihenkaufprogramme auflegte, um den wackligen Konjunkturzyklus überhaupt erst zum Laufen zu bringen. Ganz im Gegensatz zu Europa, wo panische Regierungen ab 2011 zusammen mit passiven Zentralbanken den Aufschwung mit unvernünftigen Austeritätsprogrammen abwürgten. Die Folgen sind bekannt: Obwohl genau anders geplant, stieg die Schuldenquote vieler Eurostaaten im Süden nur noch mehr.

Unterentwickeltes Sozialsystem führt zu Überhitzung

Heute sind der US-Notenbank angesichts der hohen Inflation dagegen die Hände gebunden, die damalige Stütze über neue Anleihenkaufprogramme zu wiederholen. Die Ursache für die schnelle Überhitzung in den USA liegt schlussendlich aber im unterentwickelten US-Sozialsystem. Während Europa überall Kurzarbeitsprogramme auflegte, blieb den Amerikanern nichts anderes übrig, als in der Pandemie die Krisenhilfen mit der Giesskanne an alle zu verteilen, flankiert vom Federal Reserve.

Die Notenbanker des Fed haben die heutige milde Rezession aber keinesfalls mit den Zinserhöhungen ausgelöst. Sie können den leichten Brand, den das «Wall Street Journal» bereits als «Full-Employment Recession» benannt hat, immer noch mit ihren weiteren Zinserhöhungen verschärfen. So wie damals die panischen Regierungen im Euroraum nach der Finanzkrise. Solange der Stellenaufbau aber bei 5% liegt, kann die Zinsstrategie der US-Notenbanker doch noch aufgehen, wenn sie rechtzeitig die Kurve kriegen. Brenzlig wird es, wenn das Jobwachstum auf weniger als 2% fällt, dann haben die Unternehmen die Geduld verloren.

Hinweis: Die Beiträge in diesem  Blog  erscheinen in Kooperation mit dem Online-Magazin  Makronom . Worum es hier eigentlich geht, habe ich im ersten Beitrag beschrieben:  Konjunkturanalyse geht jeden an – oder warum wir einen Taktikblog der Konjunkturanalyse brauchen.  Zur State-of-Swing-Taktiktafel der Konjunkturanalyse geht es  hier entlang auf die Makronom-Seite .