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Globalisierung des Schweizer Rechts

Dass die Schweiz als Kleinstaat auf internationalen Austausch sowie auf globale Kontakte angewiesen ist, stellt weniger eine Binsenwahrheit als vielmehr eine Notwendigkeit des ökonomischen Überlebens dar. Schweizerische Unternehmen, und ebenso die meisten Universitäten, haben dies schon vor langer Zeit erkannt und verhalten sich entsprechend. Tatsächlich ist das Erfordernis einer grenzüberschreitenden Vernetzung durchaus auch der Politik bewusst, sodass sich die Schweiz seit je als wesentlich weltoffener zeigt, als dies verbreiteten Vorurteilen oder Wünschen gewisser Redner zum 1. August entspricht. Die Schweiz ist zwangsläufig international orientiert, gerade im Hinblick auf das «eigene» Recht.

Landesrecht stellt einen zentralen Teil der jeweiligen staatlichen Souveränität dar, doch eine wirkliche Autonomie bestand und besteht eigentlich nie, weder national noch international. Vielmehr beeinflussen sich Rechtsordnungen in sämtlichen Staaten gegenseitig stark, was sich nicht zuletzt im schweizerischen Recht zeigt. Während die Schweiz ehemals als «Rechtsexporteurin» auftrat, etwa als das schweizerische Zivilgesetzbuch im Jahr 1926 in der Türkei übernommen wurde, ist sie heutzutage überwiegend «Rechtsimporteurin».

Im Lauf der Jahrhunderte wechselten sich verschiedene dominante Rechtssysteme ab, ebenfalls im Hinblick auf ihren Einfluss auf das Schweizer Recht. Im 19. Jahrhundert beeinflussten europäische Staaten – zuerst Frankreich, danach Deutschland – ausländische Rechtsordnungen. Die USA und deren Recht («Lex Americana») übernahmen im 20. Jahrhundert die Führung, wobei in der Schweiz gegen Ende des Jahrhunderts – und heute andauernd – das Recht der Europäischen Union bedeutsam wurde, teils als «Leges Europaea». Meines Erachtens scheint absehbar, dass im 21. Jahrhundert ein neues dominantes Rechtssystem die anderen Landesrechte erheblich beeinflussen wird: das chinesische Recht.

Verschiedene «Einfallstore»

Globales Recht und internationale Rechtsvorstellungen fliessen regelmässig ins schweizerische Recht ein, sei es direkt oder indirekt. Solche Rechtsübernahmen haben durch den Gesetzgeber zu erfolgen, der in schweizerischen Erlassen entsprechende «Einfallstore» für internationales Recht vorsieht. Die Rechtsanwender, also Beamte und Richter, dürfen nur, aber immerhin, in der Schweiz «international» entscheiden, wenn das internationale Recht im schweizerischen Recht entsprechende legislative Fussabdrücke hinterlassen hat.

Ob überhaupt und – wenn ja – wie intensiv das Schweizer Recht globalisiert wird, entscheidet der Gesetzgeber, was in einem Rechtsstaat infolge der Gewaltenteilung selbstverständlich erscheint. Die schweizerische Rechtsordnung sieht in zahlreichen Erlassen verschiedene «Einfallstore» vor, die zum Eintritt der Globalisierung einladen: Staatsverträge, ausdrückliche Verweisungen in schweizerischen Gesetzen auf ausländische Regelungen (Beispiel: «internationale Standards»), «autonomer Nachvollzug» von Recht der EU etc. Ausserdem entsteht Recht in der Schweiz nicht selten mit bewusstem Blick über die Landesgrenzen hinaus, etwa durch Abkupferung oder aufgrund internationaler Pressionen.

Mit ausländischen Einflüssen sind oft Ängste verbunden. Vor diesem Hintergrund kann schweizerisches Recht erlassen werden, um Ausländer abzuwehren oder zu kontrollieren. Seit langer Zeit bekannt ist, erstes Beispiel, die «Lex Koller», die ausländische Immobilienkäufe erschwert. Mit einem Investitionsprüfgesetz, zweites Beispiel, sollen Unternehmensübernahmen durch Ausländer, primär durch chinesische Staatsunternehmungen, kontrolliert werden («Lex China»), wobei die Vernehmlassung noch bis im September läuft.

Finanzmarkt, Immaterialgüter, Unternehmenssteuern

Es kann festgehalten werden, dass das Schweizer Recht, zumindest in der Tendenz, ausländischen Einflüssen durchaus positiv gegenübersteht. In erster Linie trifft das auf das schweizerische Wirtschaftsrecht zu. Insofern kann festgehalten werden: Wirtschaftsrecht ist internationales Recht. Besonders stark internationalisiert sind die folgenden wirtschaftsrechtlichen Teilrechtsgebiete: das Finanzmarktrecht, das Immaterialgüterrecht sowie das Unternehmenssteuerrecht. Hingegen gelten das Gesellschaftsrecht und etwa das Aktienrecht oder das Genossenschaftsrecht bis anhin als «typisch schweizerische» Themenbereiche, weil es sich um exklusiv nationale Regelungen (z.B. ohne Staatsverträge) handelt.

Dies wird sich im Zusammenhang mit dem 2023 in Kraft tretenden Aktienrecht ändern. Mit dem neuen Aktienrecht werden mehrere «Megatrends» umgesetzt, besonders betreffend Nachhaltigkeit (neue Transparenzregelungen etc.) sowie Digitalisierung (Beispiel: virtuelle GV). Ein dritter aktienrechtlicher «Megatrend» wird erstmalig umgesetzt, nämlich die Globalisierung, was anhand von drei Beispielen ersichtlich wird:

Neu kann, erstens, das Aktienkapital in einer ausländischen Währung ausgewiesen werden. Es kommen indes nicht alle Fremdwährungen infrage, sondern einzig die vom Bundesrat zugelassenen vier Währungen: das britische Pfund, der Euro, der US-Dollar sowie der Yen; ausgeschlossen sind (noch) «Kryptowährungen», wie etwa Bitcoin oder Ethereum. Vorausgesetzt wird, dass die gewählte Fremdwährung für das konkrete Unternehmen eine «wesentliche ausländische Währung» darstellt. Für den Fall von Fremdkapital als Aktienkapital haben die Buchführung und die Rechnungslegung in derselben ausländischen Währung zu erfolgen. Aktienkapital in einer Fremdwährung kann für Investoren besonders interessant sein.

Bericht in Englisch, GV im Ausland

Neu besteht, zweitens, eine Sprachenoption für Englisch, notabene bei spezifischen Berichten. Zur angestrebten erhöhten Transparenz werden Unternehmensberichte für gewisse Gesellschaften vorgeschrieben, die auch in englischer Sprache verfasst werden dürfen, gerade wegen des internationalen Aktionariats vieler Schweizer Unternehmen: der Bericht über nichtfinanzielle Belange, der Bericht zur Transparenz bei Rohstoffunternehmen, der Bericht betreffend Konfliktmineralien und Kinderarbeit sowie der Vergütungsbericht.

Neu können, drittens, Generalversammlungen im Ausland durchgeführt werden. Anders als bei den Fremdwährungen gibt es, mindestens im Prinzip, keinerlei Einschränkungen, d.h. die Unternehmen dürfen irgendeinen ausländischen Tagungsort festlegen. Vorausgesetzt wird indes, dass der Versammlungsort in den Gesellschaftsstatuten explizit aufgeführt und dass mit der Ortswahl für die Aktionäre die Ausübung ihrer Rechte nicht in unsachlicher Weise erschwert wird. Ob eine Generalversammlung im Ausland oder in der Schweiz stattfindet, entscheidet im konkreten Einzelfall der Verwaltungsrat. Sollten insbesondere beurkundungspflichtige Beschlüsse gefasst werden (Änderung der Statuten etc.), empfiehlt sich eine Durchführung in der Schweiz unter Beizug einer schweizerischen Urkundsperson.

Die Globalisierung des schweizerischen Rechts betrifft primär das Wirtschaftsrecht. Es kam und kommt sogar zu internationalen Rechtsangleichungen bei sämtlichen aktienrechtlichen Ordnungen der Welt, obwohl jeweils nationale Regelungen bestehen, d.h. die Aktienrechtserlasse stimmten im Wesentlichen überein, z.B. in der Schweiz, in Deutschland, in den USA, Korea, Australien, Japan, China oder im Iran. Ausserhalb des Wirtschaftsrechts sind Globalisierungen eher selten, andere als ökonomische Überlegungen spielen eine Rolle. Im Familienrecht zum Beispiel erweisen sich religiöse sowie kulturelle Aspekte als ausschlaggebend, was eine Globalisierung von Scheidungen oder von Adoptionen verhindert.

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