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Sri Lanka im Visier der Geopolitik

Als der blutige Tamilenkonflikt im Mai 2009 nach einem Vierteljahrhundert endlich zu einem Ende kam, blickten viele Sri-Lanker mit Zuversicht in die Zukunft. Sri Lanka wurde wieder zu einer beliebten Touristendestination. Investitionen flossen vor allem aus Asien ins Land, und bald tauchten auch spendierfreudige Chinesen mit Riesenkrediten auf. Im Gegensatz zu ihrem chaotischen Nachbarn Indien bietet die Inselrepublik mit ihren 22 Mio. Einwohnern überschaubare Verhältnisse, was besonders von den japanischen Überseeinvestoren geschätzt wird.

Als sich die Briten 1947/48 aus Südasien zurückzogen, hatte Sri Lanka einen verhältnismässig günstigen Start in die Unabhängigkeit. Das Land gewann an Profil in der Welt, und einzelne seiner Entwicklungsanstrengungen fanden international positive Beachtung.  Auch trug eine lebendige Demokratie zum Prestige der Inselrepublik bei.

Selbstverständlich war der langjährige Bürgerkrieg zwischen den sri-lankischen Sicherheitskräften und den tamilischen Separatisten, der nach Schätzungen der Vereinten Nationen zwischen 80’000 und 100’000 Menschenleben gekostet hat, die bei weitem schlimmste Prüfung für die Bevölkerung. Umso grösser war die Erleichterung über die Rückkehr zum normalen Alltag, eine Erleichterung, die allerdings wegen einer katastrophalen Wirtschaftskrise nicht lange anhalten sollte.

Sicher kann die Verheerung der Tourismusindustrie durch die Covid-19-Pandemie nicht der Regierung angelastet werden. Allenfalls kann man kritisieren, dass zu wenig zur Diversifizierung der Wirtschaft unternommen wurde und man sich zu wenig um eine ausgewogene Aussenhandelsbilanz gekümmert hat. Immerhin, Tourismus war und ist auch heute wieder ein wertvolles Asset der sri-lankischen Wirtschaft.

Grossmannssucht

Doch das Abgleiten in die Katastrophe, die das Land am Rand des Bankrotts sieht, ist auch fatalen Fehlentscheiden der sri-lankischen Regierung zuzuschieben. Bis zur jüngsten Unrast hatte sich die Kontrolle über die Exekutive in den Händen des allmächtigen Rajapaksa-Clans befunden.

Vor allem mit der Hilfe der Chinesen hatten die Rajapaksas ihrer Grossmannssucht freien Lauf gelassen. Ohne Rücksicht auf Rentabilität und Bedarf wurden monumentale Projekte wie Autobahnen, Hafenanlagen, Flughäfen und Konferenzzentren errichtet. Am Schluss stand das Land mit einer Aussenverschuldung da, die sich auf weit über 50 Mrd. $ beläuft und die von dem Land, das 2019, im letzten Jahr vor dem Ausbruch von Covid-19, ein Bruttoinlandprodukt von 84 Mrd. $ ausgewiesen hatte, nicht gestemmt werden kann.

Klassisch ist der Fall des Hafens von Hambantota im Südosten der Insel. Es ist der Heimatort der Rajapaksas. Ganze 1,1 Mrd. $ wurden hier verlocht. Nachdem sich das ganze Projekt als Fehlinvestition erwiesen hatte, griffen die Chinesen zu einer Schuldumwandlung und überantworteten das Projekt in der Form einer 99-jährigen Pacht an die staatlich kontrollierte China Merchants Port Holdings. Der Tiefseehafen, der an einer wichtigen Handels- und Seeroute liegt, unterliegt somit chinesischer Kontrolle.

Wichtige Meeresstrassen

Dass China in vielen Teilen der Welt seine wirtschaftliche, geopolitische und demografische Präsenz erhöht, wird immer offensichtlicher. Riesige Mittel sind zu diesem Zweck investiert worden. Das Paradebeispiel ist die Belt and Road Initiative (BRI), eine Wiederbelebung der Seidenstrasse zu Land und zur See. Im Vordergrund steht für China natürlich die nähere Nachbarschaft wie Südostasien, Taiwan und die koreanische Halbinsel. Während des Kalten Krieges war der Fokus auf dem Nordatlantik. Im asiatischen Jahrhundert dreht sich die Geopolitik um den Indischen Ozean und den Pazifik.

Ein Blick auf die Landkarten der Grossregion des Indischen Ozeans und auf die Seewege durch Südost- und Südasien zeigt die geostrategische Bedeutung dieser Region. Drei der wichtigsten Meeresstrassen der Welt führen in den Indischen Ozean, die Strasse von Malakka mit dem Hafen von Singapur, die Strasse von Hormoz mit dem Zugang zum Persischen Golf und der Bab al-Mandab, die Meerenge zwischen Jemen und dem Horn von Afrika, die zum Roten Meer und zum Suezkanal führt.

Die Covid-19-Pandemie und der Krieg in der Ukraine haben die Welt sensibler gemacht für die Wichtigkeit und die Verletzlichkeit von Lieferketten. Nun weiss man auch, dass der Indische Ozean nicht ein entferntes, exotisches Gewässer ist, sondern dass die unbehinderte Seefahrt auch für unseren Wohlstand essenziell ist.

Auch ist seit dem Einfall der Russen in die Ukraine und seit den eskalierenden Kriegsdrohungen Xi Jinpings gegen Taiwan der Welt bewusst geworden, wie wichtig ein solides Sicherheitsfundament für wirtschaftlichen Wohlstand ist. So können Wirtschaftsmächte wie Japan und Deutschland, die stark von einem funktionierenden Welthandel abhängig sind, nicht ihre Versorgungslinien, die durch den Indischen Ozean führen, auf sich selbst gestellt wirksam verteidigen.

«Perlenkette»

Neben den USA, die bislang als einzige Supermacht über eine globale Einsatzkapazität verfügen, hat Indien seit der Spätzeit des British Empire die stärkste Flottenpräsenz im Indischen Ozean. Sie ist in zwei operationelle Marinekommandos gegliedert, das westliche, im Arabischen Meer mit dem Hauptquartier in Mumbai, das östliche in der Bay of Bengal mit dem Hauptquartier in Visakhapatnam.

In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat China seine Flottenpräsenz im Indischen Ozean ausgebaut und dabei eine Strategie der «Perlenkette» verfolgt. Dazu gehören Landerechte und Basen von der Küste Myanmars bis zum pakistanischen Hafen von Gwadar und zu Dschibuti beim Horn von Afrika.

Offensichtlich kommt der dem Südzipfel des indischen Subkontinents vorgelagerten Insel Sri Lanka besondere geopolitische Bedeutung zu. Chinas vollständige Kontrolle der Insel wäre für Indien mehr als nur eine Irritation. Die Schuldenverhandlungen unter der Ägide des IWF werden zeigen, wie hoch der Einsatz Chinas ist und wie engagiert Indien und Japan sein werden.

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