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ZEW-Index sinkt erheblich

Die aktuell grossen Sorgen über die Energieversorgung, der angekündigte Zinsanstieg sowie weitere coronabedingte Einschränkungen in China führen zu einer deutlichen Verschlechterung des Konjunkturausblicks

(Reuters) Ukraine-Krieg und Gassorgen, Lieferengpässe und EZB-Zinserhöhung: Börsenprofis blicken wieder deutlich skeptischer auf die deutsche Wirtschaft. Das Barometer für die Einschätzung zur deutschen Konjunktur in den nächsten sechs Monaten fiel im Juli überraschend kräftig um 25,8 auf minus 53,8 Punkte und damit erstmals nach zwei Anstiegen, wie das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) am Dienstag zu seiner monatlichen Umfrage unter 179 Analysten und Anlegern mitteilte. Ökonomen hatten nur eine Verschlechterung auf minus 38,3 Punkte erwartet. «Wegen ernster Rezessionsgründe hat die Angst das Ruder übernommen», sagte der Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, Alexander Krüger. Vor allem der drohende Gaslieferstopp Russlands und die kräftigen Reallohneinkommensverluste sorgten für Katerstimmung.

Die vom ZEW befragten Fachleute bewerteten auch die aktuelle Situation viel pessimistischer. Lageeinschätzung und Erwartungen sind damit sogar etwas unter den Werten von März 2020 zu Beginn der Coronakrise. «Die aktuell grossen Sorgen über die Energieversorgung in Deutschland, der angekündigte Zinsanstieg der EZB sowie weitere coronabedingte Einschränkungen in China führen zu einer erheblichen Verschlechterung des Konjunkturausblicks», kommentierte ZEW-Präsident Achim Wambach die Entwicklung. Besonders stark gingen die Erwartungen für energieintensive und exportorientierte Wirtschaftssektoren zurück. «Aber auch der private Konsum wird deutlich schwächer eingeschätzt.»

Das sehen Banken-Ökonomen ähnlich. «Die Sorgen wegen einer Rezession verdichten sich», sagte Jörg Zeuner, Chefökonom von Union Investment. «Nur wenn der Gashahn nicht ganz abgedreht wird, dürfte die deutsche Wirtschaft noch einigermassen stabil über den Winter kommen.» Analyst Krüger warnte: «Derzeit ist völlig unklar, wo eine Konjunkturwende herkommen soll.»

Der Ukraine-Krieg und die Sanktionen des Westens gegen Russland sorgen für anziehende Preise bei Energie, Rohstoffen und Lebensmitteln. Dies wiederum belastet Firmen und Verbraucher und bremst die Konjunktur. Sollte Russland den Gashahn zudrehen, droht Deutschland und dem Euro-Raum wegen Produktionseinschränkungen eine Rezession. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will die Industrie bei dauerhaft fehlenden Gasmengen nicht automatisch benachteiligen. «Wir reden hier möglicherweise von einer monatelangen Unterbrechung von Gasströmen», sagte der Grünen-Politiker am Dienstag in Wien.

IW: Corona-Investitionslücke schliesst sich auch 2022 nicht

Die deutschen Firmen schauen wegen des Kriegs derweil deutlich skeptischer in die Zukunft. Die Erwartungen in puncto Produktion, Beschäftigung und Investitionen trübten sich für 2022 immer stärker ein, wie aus einer Studie des IW-Instituts unter rund 2300 Unternehmen hervorgeht. Demnach rechnen zwar 37% mit einem Produktionsplus zu 2021 und ein Viertel mit einem Minus. Allerdings lag der Saldo zu den Geschäftserwartungen im Juni damit nur noch bei zwölf Prozentpunkten, nach 34 im Spätherbst 2021 und 15 im Frühjahr 2022. Vor allem am Bau drohe eine Rezession. «Hier bremsen Materialengpässe, hohe Kostensteigerungen und fehlende Mitarbeiter die wirtschaftlichen Aktivitäten.»

Ferner gibt es laut Institut der deutschen Wirtschaft (IW) zwar «keinen Beschäftigungsschock, aber eine anhaltende Investitionsschwäche». Viele Firmen wollten sich mit Ausgaben in neue Maschinen und Anlagen zurückhaltenden. «Die Investitionslücke, die während der Corona-Pandemie entstanden ist, wird in diesem Jahr nicht geschlossen», sagte IW-Konjunkturexperte Michael Grömling.

Volkswirte zum Einbruch

Alexander Krüger, Chefvolkswirt Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank

«Wegen ernster Rezessionsgründe hat die Angst das Ruder übernommen. Vor allem der drohende Gaslieferstopp und die kräftigen Reallohneinkommensverluste sorgen für Katerstimmung. Solange ein Gaslieferstopp akut ist, werden Rezessionsängste eher noch zunehmen. Derzeit ist völlig unklar, wo eine Konjunkturwende herkommen soll.»

Thomas Gitzel, Chefvolkswirt VP Bank

«Das sieht nicht gut aus! Die ZEW-Konjunkturerwartungen plumpsen abwärts und signalisieren hohe konjunkturelle Unsicherheiten. Die Notierungen der ZEW-Konjunkturerwartungen liegen jetzt sogar unter den Niveaus zu Beginn der Corona-Pandemie im März 2020. Zu viele Dinge sind derzeit ungewiss, als dass die vom ZEW befragten Finanzmarktanalysten den Daumen heben könnten. Da ist zunächst die Unsicherheit in Sachen Gas. Strömt nach Beendigung der Wartungsarbeiten ab 21. Juli wieder Gas durch die Pipeline Nord Stream 1? Wie geht es weiter mit den Materialknappheiten? Muss China in weitere Lockdowns, um der Pandemie Herr zu werden? Ach ja, und in der Ukraine tobt ein Krieg mit noch ungeklärtem Ausgang. Selbst für hartgesottene krisengewohnte Volkswirte ist das ein zu viel an Unsicherheit.»

REUTERS