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Verbraucherpreise in Grossbritannien steigen stark

Die Bank von England (BoE) hat zuletzt den grössten Zinsschritt seit 27 Jahren gewagt, um die Inflation in Schach zu halten.

(Reuters)  Die Inflation in Grossbritannien hat im Juli überraschend die Zehn-Prozent-Marke geknackt und setzt die Notenbank damit weiter unter Handlungsdruck.  Waren und Dienstleistungen kosteten durchschnittlich 10,1% mehr als ein Jahr zuvor, wie das Office for National Statistics  (ONS)  am Mittwoch in London mitteilte. Das ist der stärkste Anstieg seit Februar 1982 – ein Wert, den keiner der von Reuters befragten Ökonomen auf dem Zettel hatte. Sie hatten damit gerechnet, dass die Teuerungsrate mit 9,8% noch einstellig bleiben würde – so wie im Juni, als die Verbraucherpreise um 9,4% zulegten.  Kräftig steigende Energierechnungen im Herbst und Winter dürften weitere Löcher ins Portemonnaie der Bürger reissen.  Die Volkswirte der US-Bank Citi erwarten, dass die Inflation Anfang 2023 auf über 15% klettern wird, falls die Regierung nicht mit preisdämpfenden Massnahmen gegensteuert.

Die Notenbank in London befürchtet, dass die Wirtschaft in eine tiefe Rezession rutschen und die Inflation im Oktober die Schwelle von 13% überschreiten wird. Die Bank von England (BoE) hatte zuletzt den grössten Zinsschritt seit 27 Jahren gewagt, um den Preisauftrieb in Schach zu halten. «Eine Inflation im zweistelligen Prozentbereich war unausweichlich. Doch sie kam früher als erwartet», meint Craig Erlam, Analyst beim Brokerhaus Oanda. Damit sei es fast ausgemachte Sache, dass die Zentralbank im September einen weiteren Zinsschritt in Höhe von mindestens einem halben Prozentpunkt folgen lassen werde.

Im Kampf gegen die rasant steigenden Preise hatten die Währungshüter in London den Leitzins zuletzt um 50 Basispunkte auf 1,75% erhöht. Die Investoren an den Finanzmärkten stellen sich darauf ein, dass das Zinsniveau Mitte September auf 2,25% angehoben wird. Damit dürfte das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht sein. Bis Mai 2023 könnte die BoE laut den Erwartungen der Händler das Zinsniveau auf 3,75% nach oben schrauben. Mit höheren Zinsen soll verhindert werden, dass sich der Inflationsanstieg in der Wirtschaft festsetzt und sich Löhne und Preise weiter hochschaukeln.

Kleine Darlehen für Lebensmittelkauf

Daten des ONS zeigen, dass die Arbeitnehmer zuletzt trotz steigender Entgelte wegen der hohen Inflation preisbereinigt (real) die grössten Gehaltseinbussen seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2001 in Kauf nehmen mussten. Die Gehälter stiegen zwar nominal um 4,7%, doch real sanken sie um 4,1%.  Auf die Briten werden im Zuge der Energiekrise im Winter zudem noch massiv steigende Kosten zukommen, da der staatliche Preisdeckel für die durchschnittliche jährliche Energierechnung kräftig angehoben werden dürfte. Auch bei den Einkäufen des täglichen Bedarfs  bekommen die Bürger die Teuerung zu spüren.  Im Einzelhandel stiegen die Preise auf Jahressicht im Juli um 12,3% – der höchste Wert seit März 1981.

Ein Schlaglicht auf die Entwicklung wirft eine Aktion der britischen Supermarktkette Iceland Foods: Sie bietet ihren Kunden angesichts der extrem hohen Inflation zinslose Kredite für den Kauf von Lebensmitteln an.  Das Programm richtet sich an arme Haushalte, die mit den steigenden Lebenshaltungskosten zu kämpfen haben, wie das Unternehmen mitteilte. Iceland Foods mit seinen mehr als 900 Geschäften arbeitet dabei mit dem gemeinnützigen Kreditgeber Fair For You zusammen. Finanziell schwachen Kunden sollen dabei über vorinstallierte Karten kleine Darlehen in Höhe von 25 bis 100 Pfund (30 bis 119 Euro) gewährt werden, die einmal pro Woche zurückgezahlt werden können.

Inflationsschub droht auch in Deutschland

«Die Inflation unter Kontrolle zu bringen, ist für mich oberste Priorität», sagte der britische Finanzminister Nadhim Zahawi nach Veröffentlichung der Verbraucherpreis-Daten. Dabei spielten neben der unabhängigen Geldpolitik auch verantwortungsvolle Steuer- und Ausgabe-Entscheidungen eine Rolle sowie Reformen zur Förderung von Produktivität und Wachstum.

Die beiden verbliebenen Anwärter in der Konservativen Partei auf die Nachfolge des scheidenden Premierministers Boris Johnson – Außenministerin Liz Truss und Ex-Finanzminister Rishi Sunak – versprechen Entlastungen für die inflationsgeplagten Haushalte – entweder durch Steuersenkungen oder direkte Unterstützung bei der Begleichung der Stromrechnungen.

Die im Juli über die Zehn-Prozent-Schwelle gestiegene Inflation in Großbritannien könnte einen Vorgeschmack darauf liefern, was deutschen Verbrauchern noch bevorsteht. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, erwartet für Oktober auch hierzulande eine Preissteigerung von etwa zehn Prozent. Dem SWR-Hörfunk sagte er jüngst: «Mit der Einführung der Gasumlage Anfang Oktober wird die Inflation um einen Prozentpunkt weiter steigen. Dazu kommt, dass mit dem Auslaufen des Tankrabatts und des Neun-Euro-Tickets die Preise auch weiter steigen.»