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Wie die Republikaner wieder siegen

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«Wie können wir das noch vermasseln?», fragte kürzlich Mitch McConnell, Oppositionsführer der Republikanischen Partei im US-Senat, an einem Podiumsgespräch in Washington. Gemeint war der sicher geglaubte Wahlsieg im November. Dann bestimmen die Amerikaner ein neues Parlament (Kongress). Genauer gesagt, wählen sie die eine Kongresskammer, das Repräsentantenhaus, komplett neu und die zweite Kammer, den Senat, zu einem Drittel. Eigentlich ist alles angerichtet für einen Erdrutschsieg der Republikaner.

Das derzeitige Staatsoberhaupt der Demokratischen Partei, Joe Biden, ist so unbeliebt wie kaum einer seiner Vorgänger in den vergangenen hundert Jahren. Die Inflation ist so beissend wie zuletzt in den 1980er-Jahren, die Kriminalität steigt, und die Mehrheit der Amerikaner sagt, das Land steuere in die falsche Richtung. Besser könnte die Ausgangslage für eine Opposition nicht sein.

Doch laut einer aktuellen Umfrage der «New York Times» sagen 41% der registrierten Wähler, die Demokraten sollten im Kongress in der Mehrheit bleiben. Nur 40% wünschen sich die Republikaner an die Macht. McConnells Partei ist drauf und dran, den sicher geglaubten Wahlsieg tatsächlich zu vermasseln. Die Gründe dafür sind hausgemacht und liegen nicht zuletzt in der immer noch krankhaften Fixierung auf Ex-Präsident Donald J. Trump.

Der versuchte Staatsstreich

Seit Wochen sind zur besten TV-Sendezeit die Sitzungen der Kongresskommission zu sehen, die die Vorgänge des 6. Januar 2021 aufarbeitet. Ein gewalttätiger Mob, angestiftet von Trump, stürmte damals das Parlamentsgebäude und versuchte, die Bestätigung der Wahl Bidens zu verhindern. Die Vorgänge an jenem Tag waren aber nur die Spitze des Eisbergs, wie die Kommission in hunderten Interviews mit Beteiligten und Getreuen aus dem engsten Umfeld Trumps zutage gefördert hat.

Trump wusste demnach, dass er die Wahl verloren hatte und unternahm dennoch alles, um weiterhin an der Macht zu bleiben. Er und ein kleiner Trupp ihm Ergebener verbreiteten Lügen, wonach die Wahl manipuliert gewesen sei. Trumps eigenes Justizdepartement widerlegte jede der Behauptungen, und Gerichte schmetterten alle diesbezüglichen Klagen krachend ab.

Dann beging Trump Wahlbetrug: Republikanische Amtsträger in umkämpften Bundesstaaten wurden unter Druck gesetzt, Stimmen zu «finden». Vom eigenen Justizdepartement forderte Trump, die Wahl für unregelmässig zu erklären. Falsche Wahlpersonen wurden angeheuert, die falsche Dokumente nach Washington schickten, mit dem Ziel, die rechtmässigen Dokumente in Zweifel zu ziehen. Im Endeffekt wollte Trump im Kongress gegen den Willen der Wähler schlicht abermals zum Präsidenten erklärt werden. Trump versuchte allen Ernstes den Staatsstreich.

Leicht angreifbare Kandidaten

Für die Republikaner ist der Ex-Präsident für die bevorstehende Wahl vollends zur Hypothek geworden. Trotzdem wird erwartet, dass er 2024 nochmals die Kandidatur der Partei suchen wird. Bis dahin portiert er ihm ergebene Kandidaten für die Kongresswahl im November. Genau deswegen haben die Demokraten, obgleich das Umfeld gegen sie spricht, weiterhin eine Chance, mindestens die Mehrheit im Senat zu halten, denn unter dem Einfluss Trumps haben die Republikaner leicht angreifbare, geradezu jenseitige Kandidaten aufgestellt.

Doch die Republikanische Partei hat nicht nur ein Problem im Senat. Mehr als hundert Kandidaten der Partei für den Kongress oder für Ämter in den Bundesstaaten plappern die Lüge Trumps von der manipulierten Wahl weiterhin nach. Fast 150 Kongressabgeordnete – mehr als die Hälfte der Republikanischen Fraktion – stimmten 2021 dafür, den Volkswillen nicht anzuerkennen. Es ist ein Tribut an Trump, ohne den, wie viele Kandidaten glauben, sie in Partei und bei ihrer Wählerschaft nicht mehr reüssieren können.

Dabei haben sich in den parteiinternen Vorwahlen in vielen Fällen nicht die Trump-Kandidaten durchgesetzt, was den vermeintlichen Übervater mit seinem angeblich eisernen Griff um die Partei entzaubert hat. Den republikanischen Parteigängern muss allmählich die Einsicht dämmern: Wer die Mehrheit holen will, muss mehrheitsfähig sein, und das sind die Republikaner unter Trump nicht, weil er es selbst nie war.

Alte Zöpfe abschneiden

Trump kam 2016 ins Amt, weil der amerikanische Präsident durch eine Art Ständemehr gewählt wird. In seltenen Fällen kann es passieren, dass der Kandidat gewinnt, der kein Volksmehr erhält – und das hat Trump eben nicht bekommen, genauso wenig wie in der Wahl 2020. Bei einem dritten Mal wird es nicht anders sein. Trump ist etwas, das in der Politik und vor allem bei den Republikanern eine kurze Halbwertszeit geniesst: ein Verlierer.

Die Partei muss sich von ihm frei machen und die demokratischen Spielregeln wieder anerkennen. Zudem muss sie es schaffen, alte Zöpfe abzuschneiden. Seit Jahren biedern sich die Republikaner den Waffennarren und den strikten Abtreibungsgegnern an. Dieses Jahr ist es schon zu weit über zweihundert Massenschiessereien gekommen, unter anderem zu einem Massaker an einer Primarschule in Texas und zudem zum Sturz des nationalen Rechts auf Abtreibung durch erzkonservative oberste Richter – nominiert zu einem guten Teil von Trump.

Gemäss aktuellen Umfragen ist aber nicht einmal mehr eine Mehrheit der republikanischen Wähler für ein Laissez-faire im Waffenrecht oder für ein striktes Abtreibungsverbot. Sie wünschen sich bei beidem – wie die meisten Menschen im Land – eine vernünftige Regulierung.

Schluss mit «Big Business»

Im Prozess der Veränderung könnten die Republikaner mittlerweile bereits weiter fortgeschritten sein, als es manche Untergangspropheten behaupten. Nur rund ein Drittel der Partei gilt tatsächlich noch unter Trumps Knute stehend; sein Einfluss scheint mehr und mehr zu schwinden. Nur noch eine knappe Hälfte der Parteigänger wünscht sich eine erneute Präsidentschaftskandidatur Trumps. Dieser Anteil wird weiter schrumpfen, je näher 2024 rückt und sich die valablen parteiinternen Gegenkandidaten auf nationale Roadshow begeben.

In Partei und Öffentlichkeit gilt längst der Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, als ein Favorit. DeSantis steht für Trumpismus ohne den Ruch des Staatsfeinds und Verlierers. Sein Bundesstaat kommt gerade bärenstark aus der Pandemie heraus. DeSantis hat es zudem genial verstanden, mit dem Mediengiganten Disney auf Konfrontation zu gehen. Als Disney-CEO Bob Chapeck ein neues Schulgesetz im Bundesstaat als homophob kritisierte und gelobte, es zu bekämpfen, brachte DeSantis das Ende von Steuerprivilegien für den Konzern auf den Weg. Die Botschaft: In Florida haben immer noch die Eltern das Sagen in der Erziehung.

Hier zeigt sich die Wandlungsfähigkeit der Republikanischen Partei in den vergangenen Jahren. Der einst sakrosankte Schmusekurs mit dem «Big Business» ist vorbei. Zwar haben Deregulierung und Steuererleichterungen für das Entstehen von Arbeitsplätzen im Ausland oder in den neuen Branchen an der West- und der Ostküste gesorgt, doch dazwischen sind aus ganzen Landstrichen Arbeitsplätze verschwunden, was die untere Mittelschicht besonders hart traf. Diese Gruppe, die früher oft demokratisch wählte, haben sich die Republikaner in den vergangenen Jahren erfolgreich erschlossen. Manche ihrer Exponenten klingen fast schon wie Vertreter einer neuen Art amerikanischer Arbeiterbewegung.

Wenn die ehemalige «Big Business»-Partei eine derartige Veränderung vollziehen kann, dann kann sie es auch schaffen, mit Trump und den radikalen Elementen in den eigenen Reihen aufzuräumen. Sie wird es zwangsläufig tun müssen, wenn sie je wieder einen ihrer Kandidaten mit Volksmehr ins Weisse Haus bringen – oder allein schon so etwas scheinbar Einfaches wie eine sicher geglaubte Kongresswahl nicht vermasseln will.

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