Newsticker

Nationalrat will höheren Bundesanteil an OECD-Mindeststeuer

(Zusammenfassung)

Bern (awp/sda) - Die Räte sind sich nicht einig über die Verteilung der erwarteten Mehreinnahmen aus der OECD-Mindeststeuer für international tätige Konzerne: Der Nationalrat will den Bundesanteil auf 50 Prozent festsetzen - und damit doppelt so hoch wie der Ständerat.

Im Grundsatz hiess der Nationalrat am Donnerstag einen Vorschlag seiner Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK-N) gut. Die WAK-N hatte in der Vorberatung allerdings eine Präzisierung hinzugefügt, die der Rat wieder strich. Demnach hätte der Anteil eines Kantons an der Ergänzungssteuer eine Obergrenze von 400 Franken pro Einwohnerin und Einwohner nicht überschreiten dürfen.

Mit seinem Beschluss stellt sich der Nationalrat gegen den Ständerat. Dieser hatte sich im September dafür ausgesprochen, 75 Prozent der Erträge den Standortkantonen der betroffenen Unternehmen zukommen zu lassen und nur 25 Prozent dem Bund.

Für diese Lösung setzte sich auch eine Minderheit der vorberatenden Kommission ein, sie fand allerdings keine Mehrheit. Die Verteilung der Einnahmen war der mit Abstand umstrittenste Punkt der Vorlage. Im Vorfeld der Debatte gab es dazu nicht weniger als sechs Minderheitsanträge.

Der Bundesrat wollte ursprünglich sämtliche Erträge den Kantonen zukommen lassen. Die SVP stellte zunächst einen entsprechenden Antrag, zog diesen aber am Donnerstag zurück. Verworfen wurde ein Antrag der Linken, wonach der Bund alle Einnahmen erhalten sollte.

Volksabstimmung wirft Schatten voraus

Die Befürworterinnen und Befürworter einer hälftigen Aufteilung argumentierten insbesondere, dass die Volksabstimmung zum neuen Verfassungsartikel nur mit einer ausgeglichenen Verteilung der Erträge gewonnen werden könne. Auch drohe ohne diese die Schere zwischen Tief- und Hochsteuerkantonen weiter aufzugehen.

"Diese Volksabstimmung müssen wir gewinnen", sagte etwa Markus Ritter (Mitte/SG). Es gelte darum, Brücken zu bauen. Nach derzeitigen Schätzungen würden die Kantone Basel-Stadt und Zug rund 40 Prozent der Mehreinnahmen erhalten, wenn die Politik nicht korrigierend eingreife.

Auf bürgerlicher Seite hielt sich die Begeisterung für die Vorlage in Grenzen. Setze die Schweiz die Mindeststeuer nicht um, würden die zusätzlichen Steuern einfach in anderen Staaten erhoben, lautete aber der Tenor.

Die Reform sei alternativlos, befand etwa FDP-Fraktionssprecher Beat Walti (ZH). Die Schweiz könne sich den internationalen Regeln nicht entziehen - auch wenn die Pläne der OECD vom Standpunkt der volkswirtschaftlichen Effizienz zu kritisieren seien. Die Freisinnigen favorisierten ebenso wie die SVP die Lösung des Ständerats.

Die Kritik am interkantonalen Steuerwettbewerb bezeichnete Walti als Lamento. Der Finanzausgleich funktioniere heute gut.

Finanzminister Ueli Maurer beschrieb die Lösung des Ständerats als sorgfältig austarierten Kompromiss von Bund und Kantonen. Der Antrag der Kommissionsmehrheit gefährde die Solidarität, warnte er ohne Erfolg. Es fliesse damit weniger Geld in den Finanzausgleich.

Linke warnt vor "Lex Zug"

Die Ratslinke befürwortete die OECD-Steuerrreform aus grundsätzlichen Überlegungen. "Die Eindämmung des internationalen Steuerwettbewerbs ist zweifelsohne ein zivilisatorischer Fortschritt", sagte Cédric Wermuth (SP/AG). Die Idee der Mindeststeuer sei, dass die Konzerne ihren gerechten Anteil an die Finanzierung der öffentlichen Infrastruktur zahlen sollten.

Es müsse das ganze Land profitieren, forderte er. Ein Bundesanteil von nur 25 Prozent käme einer "Lex Zug" gleich. Dies wäre ein verheerendes Signal an den Mittelstand, der immer stärker belastet sei.

Zu reden gab in der Debatte auch, wofür die Mehreinnahmen des Bundes verwendet werden sollen. Der Bundesrat will die Gelder für die Förderung der Standortattraktivität der Schweiz einsetzen. Dieser Haltung schloss sich nach dem Ständerat auch der Nationalrat an. Anträge, wonach die familienexterne Kinderbetreuung und der Übergang zur Individualbesteuerung mit den Mitteln finanziert werden sollten, fanden keine Mehrheit.

Rund 2000 Unternehmen betroffen

Im Zentrum der OECD/G20-Steuerreform steht eine Mindestbesteuerung von 15 Prozent für alle Unternehmen mit einem Umsatz über 750 Millionen Euro im Jahr. Betroffen von der Reform sind laut dem Bundesrat in der Schweiz rund 2000 Unternehmen. Nicht unter die neue Regelung fallen 600'000 rein national tätige KMU.

Der Bundesrat will die neuen Regeln mit einer Ergänzungssteuer umsetzen. Über die dafür nötige Verfassungsänderung werden Volk und Stände voraussichtlich im Frühsommer 2023 abstimmen. Um wie viel Geld es insgesamt geht, ist noch unklar.

In der Gesamtabstimmung nahm der Rat den entsprechenden Bundesbeschluss mit 127 zu 43 Stimmen bei 18 Enthaltungen an.

Das Geschäft geht zurück an den Ständerat.