(Zusammenfassung)
Bern (awp/sda) - Der Bund soll angeschlagenen Schweizer Stahl- und Aluminiumwerken helfen. Das wollen die eidgenössischen Räte grundsätzlich. Vier "strategisch bedeutende" Werke in diesem Bereich sollen für eine Übergangszeit von vier Jahren weniger für ihren Strom bezahlen müssen.
Nach dem Nationalrat hat sich am Montag auch der Ständerat hinter eine für dringlich erklärte Änderung des Stromversorgungsgesetzes gestellt. Es verbleiben aber Differenzen zwischen den beiden Räten, so dass die Vorlage wieder zurück in den Nationalrat geht.
Konkret soll den vier Werken zwischen 1. Januar 2025 und dem 31. Dezember 2028 ein Teil der Gebühren für die Nutzung des Stromnetzes erlassen werden. Im ersten Jahr sollen die Gebühren um 50 Prozent reduziert werden, im zweiten um 37,5 Prozent, im dritten um 25 Prozent und im vierten um 12,5 Prozent. Für diesen Rabatt aufkommen sollen alle Stromkonsumenten solidarisch.
Die staatliche Hilfe soll unter bestimmten Bedingungen fliessen: Zur Absicherung sollen die Unternehmen Standortgarantien abgeben. Halten sie die Auflagen nicht ein, sollen sie die Subventionen zurückzahlen müssen.
Der Ständerat verlangt unter anderem auch, dass die Elektrizitätskosten der fraglichen Firmen mindestens 5 Prozent der Bruttowertschöpfung ausmachen müssen. Zudem sollen alle Kader- und Verwaltungsratsmitglieder während der staatlichen Unterstützung auf Boni verzichten müssen. Schliesslich soll der Bund nur einspringen, wenn der Standortkanton des Unternehmens ebenfalls Finanzhilfen gewährt.
Umstrittene Verfassungsmässigkeit
Beat Rieder (Mitte, VS) sagte am Montag, eine Kommissionsmehrheit sei vor allem aus einem Grund für den staatlichen Eingriff: Andere Staaten betrieben in der Stahlbranche eine starke Industriepolitik, griffen also in die freie Marktwirtschaft ein. Rieder präsidiert die vorberatende Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Ständerats (Urek-S).
Rieder sagte auch, die Schweizer Stahlwerke seien wichtig fürs Rezyklieren von Stahlschrott. Bei einer Verlagerung der Schweizer Stahlproduktion würde ein um 220'000 Tonnen höherer CO2-Ausstoss resultieren, als wenn die Schweizer Firmen weitermachen könnten.
Auch andere Ständeratsmitglieder betonten den ökologischen Wert einer staatlichen Hilfe für die Stahlwerke: Unzählige Lastwagenfahrten entfielen, wenn die Firmen weitermachen könnten.
Die Gegner im Ständerat bezweifelten hingegen, dass eine staatliche Hilfe für eine Branche verfassungsmässig ist. Zudem habe der Staat keine Industriepolitik zu betreiben, sagte etwa Thierry Burkart (FDP/AG). Strukturwandel habe es immer gegeben, und er mache die Wirtschaft wettbewerbsfähig. Es gebe keinen Stahlmangel.
Standortpolitik sei Sache der Kantone, sagte Daniel Fässler (Mitte/AI). Andere Firmen, etwa im Bereich Papier, könnten auch Unterstützung gebrauchen, sagte Andrea Gmür-Schönenberger (Mitte/LU).
Das Bundesamt für Justiz (BJ) erkläre in einer Einschätzung, dass das dringliche Gesetz nicht verfassungsmässig sei, sagte Rieder. Ein Zürcher Rechtsprofessor sage in einem Kurzgutachten hingegen das Gegenteil. Das BJ-Gutachten überzeuge die Urek-S-Mehrheit nicht.
Bundesrat Albert Rösti sagte, der Bundesrat sei prinzipiell gegen staatliche Industriepolitik. Wenn staatliche Hilfe fliessen solle, sei der vorliegende Vorschlag aber "die eleganteste und günstigste Massnahme". Notrecht anzuwenden, wäre wohl kaum verfassungsmässig zu begründen.
Kundgebungen nach Entlassungen
Mitte November hatte der Stahlkonzern Swiss Steel den Abbau von 800 Stellen bekannt gegeben. Am Produktionsstandort von Steeltec in Emmenbrücke mit 750 Arbeitsplätzen sollen 130 Stellen wegfallen, davon 80 durch Kündigungen.
Die italienische Firma Beltrame Group kündigte Ende April an, in Gerlafingen eine der beiden Produktionsstrassen des dortigen Stahlwerks zu schliessen. Im Rahmen des damit verbundenen Abbaus von 95 Arbeitsplätzen komme es zu etwa 75 Kündigungen. Später war die Rede von weiteren 120 Entlassungen.
Die Besitzerfirma sistierte dann aber die weiteren Kündigungen, nachdem im Parlament Motionen zur Unterstützung der Stahlwerke angenommen wurden und die zuständige Nationalratskommission die nunmehr angenommene Gesetzesänderung aufgleiste. Mehrmals demonstrierten die Angestellten der Swiss Steel und von Stahl Gerlafingen gegen den Stellenabbau und für Unterstützung.