(Ausführliche Fassung)
LE BOURGET (awp international) - Überschattet von dem tödlichen Absturz einer Boeing 787 in Indien hat am Montag die weltgrösste Luftfahrtmesse bei Paris begonnen. Der weltgrösste Flugzeughersteller Airbus gab zum Start der Paris Air Show in Le Bourget mehrere Grossaufträge bekannt. Bei seinem ohnehin angeschlagenen Konkurrenten Boeing aus den USA herrschte hingegen Stille. Der Hersteller aus den USA hatte für Montag weder Pressekonferenzen noch sonstige Ankündigungen auf seinem Terminplan. Die Konzernspitze um Boeing-Chef Kelly Ortberg blieb der Messe fern.
Unterdessen meldete Airbus gleich drei grössere Bestellungen, davon zwei aus Saudi-Arabien. So orderte die neue staatliche Fluggesellschaft Riyadh Air 25 Exemplare vom Typ A350-1000. Das Modell fasst bis zu 480 Fluggäste und ist nach dem Aus für den doppelstöckigen Airbus A380 der grösste Passagierjet im Angebot des Herstellers.
Der saudi-arabische Flugzeugfinanzierer Avilease bestellte 10 Exemplare des neuen A350-Frachters und 30 Schmalrumpf-Jets aus der Modellfamilie A320neo. Hinter der Leasinggesellschaft steht - wie bei Riyadh Air - der saudi-arabische Staatsfonds.
Zudem gewann Airbus die polnische Fluggesellschaft Lot als neue Kundin. Die Airline bestellte 40 Exemplare des kleinsten Airbus-Jets A220. Lot entschied sich dabei für je 20 Exemplare in der Kurzversion A220-100 und in der längeren Variante A220-300. Bisher betreibt das Unternehmen Flugzeuge von Boeing, Embraer und Bombardier. Embraers aktuelle E2-Jets konkurrieren mit dem Airbus A220.
Die japanische Gesellschaft All Nippon Airways (ANA) zurrte eine bereits angekündigte Bestellung über 27 Airbus-Schmalrumpfjets in der Langversion A321neo fest, davon drei in der Langstreckenvariante A321XLR.
Airbus' Rivale Boeing muss sich unterdessen mit einem weiteren Unglück mit einem seiner Maschinen auseinandersetzen: Nach den Abstürzen zweier Mittelstreckenjets vom Typ 737 Max in den Jahren 2018 und 2019 sowie einem Beinahe-Unglück Anfang 2024 war in Indien am Donnerstag ein Boeing-Grossraumjet vom Typ 787 "Dreamliner" abgestürzt.
Nur einer der 242 Insassen überlebte; am Boden kamen weitere Menschen ums Leben. Inzwischen haben die Bergungsteams den zweiten Flugschreiber gefunden, der für die Untersuchung der Unglücksursache wichtig ist. Zuvor hatten sie bereits den Flugdatenschreiber geborgen. Die Ursache des Absturzes blieb zunächst unklar.
Der US-Konzern Boeing kommt schon seit 2019 nicht aus seiner grossenteils hausgemachten Krise, die mit den Abstürzen der zwei 737-Max-Jets begonnen hatte. Probleme bei Entwicklung, Produktion und Zulieferern, ein Beinahe-Unglück und ein wochenlanger Streik haben dem Konzern inzwischen sechs Verlustjahre in Folge eingebrockt.
Seit Anfang 2024 darf Boeing die Produktion seiner meistgefragten Flugzeugreihe auf Geheiss der US-Luftfahrtbehörde FAA nicht weiter hochfahren. Auch die Grossraumjets vom Typ 787 "Dreamliner" schaute sich die Behörde genauer an.
Zuletzt hatte der neue Boeing-Chef Ortberg die Produktion wieder in etwas ruhigere Bahnen gelenkt. Nach Jahren mit chronischen Verzögerungen liefere Boeing seine Flugzeuge inzwischen pünktlich aus, sagte der Chef des Flugzeugfinanzierers Air Lease, John Plueger, kürzlich der Nachrichtenagentur Bloomberg. Zudem holte Boeing kürzlich einen Grossauftrag der arabischen Fluggesellschaft Qatar Airways herein.
Doch nach dem Absturz in Indien muss die Boeing-Führung wieder in den Krisenmodus umschalten. Ortberg und die Chefin der Verkehrsflugzeugsparte, Stephanie Pope, widmeten sich nach dem Unglück Air India und sagten Unterstützung bei der Aufklärung des Unglücks zu. Zugleich bliesen sie ihren geplanten Besuch in Le Bourget ab.
Auf dem Flugfeld nördlich von Paris stellen Unternehmen der Luft- und Raumfahrt nicht nur ihre Passagier- und Frachtjets sowie wichtige Zulieferteile aus. Auch Rüstungsunternehmen sind dort präsent. Oft handelt es sich bei den zivilen und militärischen Anbietern um dieselben Konzerne.
So baut Airbus zusammen mit BAE Systems und Leonardo den Kampfjet Eurofighter. Ausserdem produziert der Konzern den Militärtransporter A400M und Hubschrauber und arbeitet führend am künftigen europäischen Luftkampfsystem FCAS mit. Boeing wiederum gehört zu den führenden Herstellern von Militärflugzeugen und Helikoptern.
Hinzu kommen Anbieter wie der Rafale-Hersteller Dassault Aviation aus Frankreich und der F35-Hersteller Lockheed Martin aus den USA sowie aus Deutschland etwa der Münchner Triebwerksbauer MTU Aero Engines .
Insgesamt sind nach Angaben des Veranstalters rund 2500 Aussteller aus 48 Ländern auf der Messe vertreten und stellen 150 Flugzeuge und andere Fluggeräte aus. Von diesem Montag bis Donnerstag (16. bis 19. Juni) ist die Air Show für Fachbesucher geöffnet. Von Freitag bis Sonntag dürfen auch Privatleute auf die Messe. Erwartet werden rund 300.000 Besucher./stw/dg/niw