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Bundesrat setzt auf milde Regulierung von grossen Tech-Plattformen

(Zusammenfassung)

Bern (awp/sda) - Sehr grosse Kommunikationsplattformen wie Facebook, X, Tiktok und Google sollen Nutzerinnen und Nutzern in der Schweiz künftig ein Verfahren anbieten müssen, mit dem sie bestimmte, mutmasslich rechtswidrige Inhalte unkompliziert melden können. Das schlägt der Bundesrat vor.

Er hat am Mittwoch das Bundesgesetz über Kommunikationsplattformen und Suchmaschinen in die Vernehmlassung geschickt - gut anderthalb Jahre später als zunächst angekündigt. Interessierte Kreise können bis am 16. Februar 2026 zur Vorlage Stellung nehmen.

Bereits im April 2023 hatte die Landesregierung bekanntgegeben, dass eine Regulierung grosser Plattformen angestrebt werde. Unter anderem wegen des US-Zollstreits wurde das Geschäft seither mehrmals verschoben.

Der nun präsentierte Vorentwurf beschränkt sich auf sehr grosse Kommunikationsplattformen und Suchmaschinen. Diese beeinflussten aufgrund ihrer Reichweite die öffentliche Debatte und Meinungsbildung stark, schreibt der Bundesrat.

Als sehr gross gelten Dienste, die monatlich durchschnittlich von zehn Prozent der ständigen Schweizer Wohnbevölkerung genutzt werden - das sind aktuell rund 900'000 Nutzende. Nach heutigem Stand beträfe das Gesetz demnach fünf bis fünfzehn ausländische Unternehmen.

Freiwillige Regeln reichen nicht

Diese Tech-Giganten sollen nach den Plänen des Bundesrats künftig gesetzlich zu mehr Fairness und Transparenz verpflichtet werden. Die Rechte der Nutzerinnen und Nutzer im digitalen Raum sollen damit gestärkt werden. Heute legen die wenigen international tätigen Konzerne wie Alphabet mit Google und Youtube, Meta mit Facebook und Instagram, Tiktok und X ihre Regeln privat fest.

"Sie tragen auch zur Verbreitung von rechtswidrigen Inhalten bei oder löschen Inhalte von Nutzerinnen und Nutzern nach nicht erkennbaren Regeln", schreibt der Bundesrat. In der Schweiz könnten dadurch die öffentliche Kommunikation und die Meinungsbildung der Bürgerinnen und Bürger beeinträchtigt werden.

Künftig sollen grosse Plattformen eine elektronische Anlaufstelle und eine Rechtsvertretung in der Schweiz bezeichnen müssen. Aufrufe zu Hass, Verleumdungen, Beschimpfungen und Diskriminierungen sollen Nutzende so einfacher melden können.

Zudem sollen die Betreibenden der Plattformen bei der Entfernung von Inhalten und der Sperrung von Konten die betroffenen Personen informieren und die getroffenen Entscheidungen begründen müssen. Auch sollen sie ein internes Beschwerdeverfahren zur Verfügung stellen und bei Streitigkeiten an einer aussergerichtlichen Streitbeilegung mitwirken müssen. Für die Nutzerinnen und Nutzer soll die Streitbeilegung kostenlos oder gegen eine Schutzgebühr verfügbar sein.

Mögliche Sanktionen

Vorgesehen sind weiter Transparenzvorgaben im Hinblick auf die Kennzeichnung und Adressierung von Werbung sowie den Einsatz von Empfehlungssystemen. Ausserdem sollen die vom Gesetz betroffenen Dienste ein öffentlich zugängliches Werbearchiv einrichten und der Verwaltung sowie der Forschung Zugang zu ihren Daten gewähren müssen.

Halten die Plattformen die Regeln wiederholt nicht ein, kann der Bund als schwerwiegendste Massnahme eine Fernmeldedienstanbieterin anweisen, den Zugang zu einer Kommunikationsplattform oder einer Suchmaschine zu beschränken. Auch finanzielle Sanktionen sollen möglich sein. Bei schwerwiegenden Verstössen sollen die Unternehmen maximal sechs Prozent des Umsatzes abgeben müssen, der in den letzten drei Geschäftsjahren durchschnittlich weltweit erzielt wurde.

In der Schweiz sollen Überwachung und Durchsetzung der Regeln innerhalb der existierenden staatlichen Organisation erfolgen, wie es im erläuternden Bericht zum Vorentwurf heisst. Es solle keine neue Behörde geschaffen werden. Die Einführung der Regulierung sei frühestens für 2029 geplant.

Keine Angst vor Gegenmassnahmen

In der EU gilt seit 2022 der sogenannte Digital Services Act (DSA), um Menschen auch im digitalen Raum besser zu schützen. Konkret müssen grosse Plattformen und Suchmaschinen Nutzenden die Möglichkeit geben, illegale Inhalte online zu melden.

Die nun vom Bundesrat geplanten Regeln sind milder. Der Geltungsbereich der Schweizer Regulierung ist enger gefasst als derjenige der EU. Um die Meinungsfreiheit zu schützen, ist in der Schweiz keine direkte Regelung spezifischer Inhalte vorgesehen. Das dürfte auch mit kritischen Stimmen bei der Ausarbeitung der Vorlage zusammenhängen.

Auch die Ankündigung der USA, Sanktionen gegen ausländische Regulierungen zu prüfen, wenn diese amerikanische Tech-Unternehmen mit aus ihrer Sicht diskriminierender oder unverhältnismässiger Regulierung oder Bussen konfrontieren, dürfte eine Rolle gespielt haben. Der Bundesrat erachtet das Risiko einer Vergeltungsmassnahme derzeit als klein, wie er schreibt.