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ABB-Präsident Voser sieht grosse Chancen durch KI und Elektrifizierung

Zürich (awp) - ABB-Verwaltungsratspräsident Peter Voser sieht den Konzern strategisch gut positioniert, um von langfristigen Industrie- und Technologietrends zu profitieren. Der grossflächige industrielle Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) stehe erst am Anfang und eröffne ABB zusätzliches Wachstumspotenzial, sagte Voser in einem Interview mit dem Finanzportal "The Market" (online).

Während KI im Endkundenbereich bereits etabliert sei, beginne der eigentliche Industrialisierung der Technologie erst jetzt. "ABB verfolgt rund 250 KI-Projekte, viele davon gemeinsam mit Kunden", so Voser. KI werde das Arbeitsumfeld in Produktion, Vertrieb und Verwaltung stark verändern. "Meiner Einschätzung nach sind wir auf einer Skala von eins bis zehn erst bei Stufe drei. Das meiste kommt erst noch."

Der Konzern integriere KI gezielt in bestehende Produkte und Lösungen, die bereits heute zu 60 bis 70 Prozent softwarebasiert seien. Mehrwert entstehe bei ABB aus der Verbindung von Technologie, Industrieerfahrung und Anwendungen und nicht aus dem Besitz eines KI-Modells.

Strategisch profitiert ABB laut Voser von der zunehmenden Regionalisierung der Weltwirtschaft. Der Konzern habe seine Ausrichtung bereits vor Jahren angepasst, unter anderem durch den Verkauf der Stromnetzsparte Power Grids und eine stärkere Fokussierung auf die Kernmärkte China, USA und Indien.

Unterschiedliche Lösungen für China und den Rest der Welt

"Dank unserer Local-for-Local-Strategie sind wir heute gut aufgestellt", so Voser. Zudem habe man die Technologieplattformen auf geopolitische Risiken vorbereitet, indem zum Beispiel unterschiedliche Cloud-Lösungen für China und den Rest der Welt eingeführt worden seien.

China bleibe trotz stärkerer lokaler Konkurrenz ein wichtiger Markt, zwinge ausländische Anbieter jedoch zur Konzentration auf Premium- und Technologiebereiche. Parallel investiert ABB stark in den USA und Indien, die Voser als zentrale Wachstumsmärkte bezeichnete. Für kleinere Schweizer KMU sei die Lage schwieriger, da sie regionale Produktionsmodelle weniger leicht umsetzen könnten.

Für ABB sieht Voser weiteres Wachstum vor allem in den Bereichen Elektrifizierung, Automatisierung und KI. Der Konzern setze primär auf organisches Wachstum, prüfe aber gezielt Übernahmen. Grosse Übernahmen schliesse man grundsätzlich zwar nicht aus, der disziplinierte Ansatz bleibe aber. "Wir kaufen nur, wenn Preis, Technologie und Strategie stimmig sind", so der ABB-Präsident. Man konzentriere sich vor allem auf mittelgrosse, sehr spezifische Übernahmekandidaten. "ABB hat genügend Potenzial für organisches Wachstum. Zukäufe sollen es ergänzen, nicht ersetzen".

"Es bleibt spannend"

Trotz Sorgen über Energieengpässe und den raschen Ausbau von Rechenzentren sieht Voser keinen Überinvestitionsboom. Entscheidend sei weniger die Rechenleistung als die Verfügbarkeit von Strom und Infrastrukturkomponenten. Insgesamt zeigte sich Voser optimistisch: Die grossen Trends wie Elektrifizierung, Klimapolitik, Automatisierung und Demografie würden unabhängig von geopolitischen Spannungen weiterwirken.

Zu seiner persönlichen Zukunft sagte Voser: "Ich habe Freude an meinem Job." ABB habe sich in den vergangenen acht bis zehn Jahren "sehr klug aufgestellt". Und mit dem neuen CEO Morten Wierod mache es grossen Spass. "Die Welt bleibt spannend, und das motiviert."

uh/