Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Kaffee mit...

Das Forschungs- und Entwicklungszentrum CSEM versteht sich als Transmissionsriemen zwischen der Forschung und der Industrie. «Seit unserer Gründung 1984 haben wir rund 50 Start-ups kreiert», sagt CEO Alexandre Pauchard (51). Er steht der Organisation mit 550 Mitarbeitenden seit Anfang vergangenen Jahres vor und führt sie vom Hauptsitz in Neuenburg aus.

Vor dem Treffen mit der «Finanz und Wirtschaft» im Café Einstein in der Berner Altstadt hat Pauchard den neuen Standort in der Bundesstadt besucht. In der Deutschschweiz ist das Forschungszentrum auch in Zürich, Basel, Alpnach und Landquart mit inzwischen 150 Mitarbeitenden präsent. In Bern arbeitet das CSEM zusammen mit dem Inselspital und der Uni Bern. Dabei setzt es seine grösste Kompetenz ein: tragbare, miniaturisierte mikroelektronische medizinische Geräte, die sehr wenig Energie benötigen, sogenannte Wearables oder Smart Implants. Sie bilden den ersten von drei Schwerpunkten des CSEM. «Zusammen mit dem Inselspital arbeiten wir an einem medizinischen Wearable, das hochschwangere Frauen zu Hause um den Bauch tragen können und das den Ärzten Entscheidungsgrundlagen liefert, wann die Geburt eingeleitet werden soll», erklärt Pauchard. «Mit Mikrosensoren können wir bereits diverse Körperfunktionen der Mutter und des Kindes messen.» Dazu kommen auf dem Gerät integrierte Software-Algorithmen. Digitalisierung ist denn auch der zweite Schwerpunkt. «Software wird immer wichtiger», sagt Pauchard. Den Bereich Digitalisierung will der neue CEO noch mehr vorantreiben.

Er hat sich im Physikstudium an der ETH Zürich auf Sensorik und Halbleiterphysik spezialisiert und zuletzt als Leiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung des Lausanner Verpackungsmaschinenherstellers Bobst neue digitale Dienstleistungen eingeführt und den Bereich «Internet of Things» aufgebaut, also die vernetzte Kommunikation zwischen einer Vielzahl von Geräten und den Nutzern.

Ob aus dem Wearable für schwangere Frauen ein marktreifes Produkt entstehen wird, ist offen. Bei der Messung des Blutdrucks mit optischer Sensoren und ohne Manschette war das der Fall. Vor fünfzehn Jahren ­startete das CSEM das Projekt. «Heute ist diese Technologie im Produkt unseres Spin-offs Aktiia für unter 200 Franken zu kaufen, und das CSEM Start-up Biospectal kommerzialisiert die Technologie mit einer Smartphone-App», erzählt Pauchard. Das Armband von Ava aus Zürich kann dank der CSEM-Sensortechnologie den Zeitpunkt des Eisprungs bei Frauen ­bestimmen. So können sie die Kinderplanung optimieren.

«Bei der Pulsmessung am Handgelenk gab es vor 20 Jahren hingegen wenig Interesse seitens der Schweizer Industrie», sagt Pauchard. Heute trägt die Pulsmessung stattdessen zum Erfolg von Apples Smartwatch oder von Googles Fitbit bei. Das Beispiel ist schon beinahe tragisch, weil das CSEM nach der Krise in der Uhrenindustrie gegründet wurde, um genau das zu verhindern: Dass Schweizer Erfindungen statt hierzulande im Ausland zum Erfolg werden. Das war mit der Quarzuhr passiert, die in der  Schweiz erfunden wurde. Japanische Unternehmen haben sie gross ­gemacht – und hätten dabei der Schweizer Uhrenindustrie beinahe den Todesstoss versetzt.

Pauchard hat nach dem Doktorat an der EPFL selbst in einem Start-up im Silicon Valley gearbeitet und dabei Höhen und Tiefen erlebt. «Ich wurde als Mitarbeiter Nummer sechs angestellt», sagt er. Die Mitarbeiterzahl ist rasch auf 170 angewachsen, Pauchard wurde zum Verantwortlichen für die Produktentwicklung. Beim Platzen der Dotcom-Blase ist das Unternehmen dann auf zwanzig Mitarbeitende geschrumpft. 2004 kam er mit Frau und der ersten Tochter an den Genfersee zurück. Dort hat er zunächst bei zwei KMU gearbeitet und nebenbei als Berater für Intel.

Das CSEM kann angewandte Forschung dank Beiträgen der öffent­lichen Hand betreiben. Der Bund steuert jährlich rund 30 Mio. Fr. bei und die Kantone bis zu 9 Mio. Fr. Das CSEM erhält auch Forschungsgelder der EU. 34% des Budgets erwirtschaftet das Institut durch Mandate der Privatwirtschaft, die spezifische Aufträge erteilt. «Zusammen mit Meyer Burger haben wir die Effizienz ihrer Solarzellen um einen Fünftel gesteigert», sagt Pauchard. Das ist entscheidend im Konkurrenzkampf mit chinesischen Herstellern. An Batterien tüfteln Entwickler des CSEM im Rahmen ihres dritten Schwerpunkts, den erneuerbaren Energien, ebenfalls mit. «Unsere Nische ist auch hier die Optimierung bestehender Technologien», sagt der CEO. Zu einem neuen Tissot-Modell haben die Wissenschaftler Solarzellen und das Betriebssystem beigesteuert. «Die Uhr muss nur noch einmal pro Jahr ans Ladegerät», erzählt Pauchard sichtlich stolz.

Sorgen bereitet Pauchard der ausgetrocknete Arbeitsmarkt. «In ­gewissen Bereichen, etwa Chipdesign oder künstlicher Intelligenz, ist es fast unmöglich, neue gute Leute zu finden.» Diese braucht das CSEM aber regelmässig. Es verliert nicht nur Mitarbeitende bei Spin-offs. Vor 20 ­Jahren waren es mit Colibrys mehr als 90. Sie stellt Vibrations- und ­Beschleunigungssensoren her. Manchmal wechseln ganze Teams zu Unternehmen, mit denen das CSEM zuvor gearbeitet hatte. Letztes Jahr etwa wurde ein Team von 20 Leuten transferiert.